Moers Berührendes Stück über Heimat, Krieg und Verfolgung

Moers · Westwind-Festival: Helios Theater, Hamm, und Ishyo Arts Centre, Kigali/Ruanda zeigen "Our House".

Was ist Heimat und wie ist es, diese zu verlieren? Was braucht der Mensch wirklich, was gibt Sicherheit? Können wir alle zusammen friedlich in einer Welt leben? Fünf Menschen, drei europäische und zwei afrikanische, betreten die Bühne und beginnen, gemeinsam aus roten Holzstäben ein Haus zu bauen. "Our House" heißt das Stück, das im Rahmen des Westwind-Jugendtheater-Festivals am Mittwoch von Schauspielern aus Hamm und aus Kigali/Ruanda aufgeführt wurde.

Jeder bringt seinen Teppich mit, seine Identität. Jeder beschreibt auf gleiche Weise seine Herkunft: "Ich wurde geboren, in einem Haus, in einer Stadt, in einem Land ... in einem Sonnensystem." Da beginnen die einzelnen Spieler aus ihrem Leben zu erzählen. Helena Aljona erzählt die authentische Geschichte ihrer Einwanderung als Kind von Kasachstan nach Deutschland. Dabei läuft sie unruhig durch die Stäbe, die jetzt wie ein Labyrinth auf dem Boden liegen. Man merkt ihr an, wie einsam sie sich fühlt in der neuen, fremden Umgebung. Bei einigen Sätzen schaut sie dem Publikum, das im Kreis rund um die Spielfläche sitzt, direkt in die Augen: "Ich stelle mir vor, dass es eine geheime Tür gibt, durch die ich hindurchschlüpfen kann in mein altes Zuhause...".

Die Schauspieler sprechen englisch, aber der Text ist auch für die Jugendlichen in der Festival-Halle gut zu verstehen. Hervé Kinenyi erinnert sich daran, wie seine Familie aus Ruanda nach Burundi fliehen musste. Die Stöcke und die Teppiche landen auf einem Haufen: ein Bild der Verwüstung. Auch Eliane Umuhire erzählt vom Genozid am Volk der Tutsi in ihrer Heimat Ruanda, wo 1994 innerhalb weniger Monate eine Million Menschen umgebracht wurden. Sie erzählt, wie die Häuser durchsucht wurden und wie sie sich mit ihrer Schwester den ganzen Tag draußen versteckte, getarnt mit Bananenblättern, getarnt als Hutu-Mädchen. Wie paradox: "Draußen war es sicherer als drinnen". Auch in der dritten Geschichte, erzählt von Michael Lurse und Marko Werner, geht es um einen Völkermord: Die Geschichte des 13-jährigen jüdischen Jungen Jimmy Ernst, der im Jahr 1933 von der Schule nach Hause kommt, wo fremde Uniformierte ihn erwarten mit den Worten: "Du lebst hier nicht mehr!" Schlicht und doch eindringlich und aufwühlend spielen die fünf Schauspieler. Sie sprechen gemeinsam, abwechselnd, die Worte wiederholend, als Echo. Die Dramatik wird verstärkt durch die Live-Musik, die Hervé Twahirwa mit seiner Stimme und diversen Klang- und Rhythmusinstrumenten dazu erzeugt. Am Ende bauen alle gemeinsam ein neues, größeres Haus aus den roten Stäben.

Die Kooperation zwischen dem Helios Theater, Hamm, und dem Ishyo Arts Centre, Kigali/Ruanda ist einzigartig. Das Stück wurde mit den Regisseurinnen Carole Karemera und Barbara Kölling in nur drei gemeinsamen Probenphasen entwickelt und im Herbst 2016 in Hamm und in Kigali uraufgeführt. In Moers gehen die Zuschauer berührt und bereichert aus dem Saal.

(rauh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort