Moers Bloemersheim - Haus für Generationen

Moers · Das Schloss nahe Vluyn steckt voller Leben. Es ist Mittelpunkt eines blühenden Unternehmens und Heimat der Familie von der Leyen.

 Henriette (l.) und Jeanette von der Leyen vor Schloss Bloemersheim.

Henriette (l.) und Jeanette von der Leyen vor Schloss Bloemersheim.

Foto: Klaus Dieker

Aus dem Turmzimmer des Schlosses geht der Blick in eine Traumlandschaft: Schwer neigen sich alte Bäume über dem Teich, dessen ruhig spiegelnde Oberfläche von Zeit zu Zeit eine landende Ente zerkräuselt. Hier ist Henriette von der Leyen aufgewachsen, die älteste Tochter von Friedrich Freiherr von der Leyen und Jeannette von der Leyen. Welches junge Mädchen hätte nicht gerne ein Zimmer mit derart unverbaubarer Aussicht?

Auch Henriette, die sich mit ihren 32 Jahren anschickt, nach und nach die Geschäfte auf Bloemersheim zu übernehmen, genießt immer noch gerne die Aussicht von hier oben, aber sie erinnert sich auch, dass das Zimmer im abgelegensten Teil des Schlosses gerade auch für ein kleines Mädchen seine Tücken hatte: "Wenn ich nachts zum Bad wollte, musste ich eine Treppe hinunter und über einen dunklen Söller laufen. Das war für mich ganz schön gruselig, und ich habe den Weg nur gemacht, wenn es gar nicht mehr anders ging", erinnert sich die junge Frau.

Sie lebt auf dem Gelände des Gutes ganz in der Nähe und wird wohl, wenn ihre Eltern eines Tages das Schloss aus Altersgründen verlassen müssen, die historischen Räume beziehen, um das Erbe der Vorfahren anzutreten. "Behindertengerecht ist bei uns gar leider nichts", sagt ihre Mutter Jeanette.

Aber für Kinder muss das Schloss ein Paradies gewesen sein: Pferde im Stall, unzählige Möglichkeiten zum Versteckenspielen und dazu Flure so lang und breit, dass sie mehr als einmal zum Austragungsort für rasante Bobbycar-Rennen wurden.

Generationen haben ihre Spuren an diesem Baudenkmal hinterlassen, das Ortsfremden heute wie der Inbegriff niederrheinischer Wasserschloss-Architektur erscheint und eigentlich das genaue Gegenteil ist. Tatsächlich war das heutige Schloss vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, wohl aus strategischen Gründen, mitten in einem inzwischen verlandeten Nebenarm des Rheins gelegen. Die Grenzen zwischen der Grafschaft Moers und dem Herzogtum Geldern verliefen mitten durch die Küche des Schlosses. Auch heute noch liegen die zu Bloemersheim zählenden Liegenschaften sowohl im Kreis Kleve wie im Kreis Wesel.

Erst 1802 erwirbt der Krefelder Seidenfabrikant Friedrich-Heinrich von der Leyen die Burg und beginnt sie nach und nach auszubauen. 1840 verlegt die Familie den Wohnsitz von Krefeld nach Vluyn, was die Bautätigkeit nicht unmaßgeblich beschleunigt. "Auch Henriette ist praktisch auf einer Baustelle groß geworden", berichtet die Mutter. Tatsächlich fällt das Geburtsjahr der Tochter in den Beginn von umfangreichen Sicherungsmaßnahmen durch den Bergbau, der das Schloss zwecks Einbaus von Dehnungsfugen in mehrere Teile zersägte. 1989 erfolgte dann eine umfangreiche Renovierung, in deren Folge das Schloss schöner denn je erstrahlte.

Doch der Wohnkomfort blieb bis zum heutigen Tage bescheiden. Das gilt vor allem für die Heizmöglichkeiten. Wenn die von der Leyens des Winters von Zimmer zu Zimmer gehen, dann tun sie gut daran, einen wärmenden Überwurf anzulegen. Die Flure sind nicht beheizt. Die Fenster dort haben eine Einfachverglasung. Die Baronin zeigt auf einen Erker: "Hier ist mir in einem besonders kalten Winter mal eine Pflanze erfroren." Zudem ist das Schloss trotz seiner vielen Räume ein eher schmales Gebäude. In dem gesamten Komplex gibt es nur ein Zimmer mit einem gegenüberliegenden Raum. Alle anderen führen auf Flure, die meist an Außenwänden entlang laufen. Obwohl bei weitem nicht alle Zimmer ständig beheizt werden, gingen noch bis vor wenigen Jahren pro Jahr rund 18.000 Liter Öl durch den Schornstein.

Inzwischen aber hat der Hausherr Friedrich von der Leyen auf eine Holzschnitzel-Heizung umgestellt. Den Brennstoff liefern die umliegenden Wälder in Hülle und Fülle.

Eigentlich ist so ein Schloss ja ein ganz normales Haus, nur ein bisschen größer und ein bisschen historischer. Was das Schloss jedoch grundlegend von den meisten anderen Häusern unterscheidet, ist die Tatsache, dass es nicht nur den Mittelpunkt des familiären Lebens der von der Leyens bildet, sondern auch den der beruflichen Existenz.

Während die drei jüngeren Geschwister die medizinische (Eliza und Alexandra) beziehungsweise die kaufmännische (Almuth) Richtung einschlugen, machte Henriette eine landwirtschaftliche Ausbildung und studierte Agrarwissenschaften.

Besucher verblüfft sie mit ihren profunden land- und betriebswirtschaftlichen Wissen. Immerhin ist sie Junior-Chefin in einem mittelständischen Unternehmen, das - zum Teil gemeinsam mit Partnerunternehmen - Obstbau und Landwirtschaft in einem Raum, der von Voerde über Vluyn bis zu den Gütern von Haus Meer und den Feldern von Schloss Dyck reicht.

An diese Dimensionen denkt kaum ein Kunde, der im Lädchen an der Niederrheinallee seine Äpfel oder vor Weihnachten seinen Tannenbaum gekauft hat. Über die Feiertage aber ist Bloemersheim das, was es immer war: Das Heim für eine große Familie.

Jürgen Stock

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort