Moers Deutsche und Türken reden miteinander

Moers · . . . und nicht übereinander: Insofern war mit einer Podiumsdiskussion der Volkshochschule über Heimat, Zusammenleben und Integration schon viel gewonnen.

 NRZ-Lokalchef Mathias Alfringhaus (links) und RP-Lokalchef Jürgen Stock (rechts) moderierten die Diskussion im "Wohnzimmer" der VHS. Podiumsgäste waren Senol Paskal (lila Hemd), Christoph Fleischauer (am Mikrofon) und Cemil Maydali.

NRZ-Lokalchef Mathias Alfringhaus (links) und RP-Lokalchef Jürgen Stock (rechts) moderierten die Diskussion im "Wohnzimmer" der VHS. Podiumsgäste waren Senol Paskal (lila Hemd), Christoph Fleischauer (am Mikrofon) und Cemil Maydali.

Foto: Klaus Dieker

Senol Paskal ist 42, in Moers geboren und aufgewachsen. Bisher habe er sich als Deutscher mit türkischen Wurzeln gefühlt. Jetzt fühle er sich als in Deutschland lebender Türke. So wie dem Vorsitzenden des Moerser Integrationsrates scheint es vielen türkischstämmigen Deutschen oder hier lebenden Türken zu gehen: Auch diejenigen, die sich eigentlich gut integriert fühl(t)en, spüren neuerdings Grenzen und "unsichtbare Mauern", die es so früher nicht gegeben habe. Das wurde bei einer Podiumsdiskussion der Volkshochschule deutlich, die Bürgermeister Christoph Fleischhauer angeregt hatte. Auch er sieht, dass es im deutsch-türkischen Zusammenleben in Moers knirscht. Und er gab den "türkischen" Gästen des Abends einen Wink, woran dies liegen könnte, nämlich an der politischen Entwicklung in der Türkei. Erdogan sei - wie auch Trump und Putin - ein Politiker, dem viele Deutsche nicht trauten. Dies sei auch der Grund, warum Deutschland eher distanziert reagiert habe, als das türkische Militär im Juli 2016 zu putschen versuchte.

Mehrere türkischstämmige Diskussionsgäste hatten ein fehlendes Mitgefühl der Deutschen für die türkische Regierung angesichts des doch gesetzeswidrigen Staatsstreichs beklagt. "Ich frage mich: Bin ich noch richtig hier?", meinte ein Mann, der in Moers aufgewachsen ist, nach eigenem Bekunden Deutschland liebt und niemals Ausgrenzung erlebt hat. Andere sprachen von den Wahlerfolgen der AfD. Sie sei "spezifisch gegen Ausländer gerichtet", bemerkte Cemil Maydali, früherer Vorsitzender des Integrationsrats. Dass zehn Prozent der Moerser diese Partei gewählt haben, gebe den Türken (oder Deutschen mit solchen Wurzeln) das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Trockener Kommentar eines augenscheinlich Deutschen mit deutschen Wurzeln: "Die zehn Prozent AfD-Wähler beunruhigen mich nicht. Damit ist sichergestellt, dass es in Moers nur zehn Prozent Idioten gibt."

Aber es ging nicht nur um Politik, sondern auch um die Dinge des Alltags. Eine junge Frau, die vor einem Jahr beschlossen hat, aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen, wunderte sich, dass die "Deutschen" ihr nicht mehr so unbefangen gegenüberträten wie früher. Ist Kopftuchtragen gleichbedeutend mit "nicht integriert"? Was heißt das überhaupt, integriert zu sein, fragte Paskal. Müsse er beim Karneval mitmachen, um akzeptiert zu werden, obwohl er Karneval nicht möge?

Die Kluft zwischen "deutsch" und "türkisch" klafft schon bei Kindern. Eine Grundschullehrerin aus Repelen bedauerte, dass echte Freundschaften zwischen deutschen und türkischen Kindern selten seien. Eine Türkin, Mutter einer fünfjährigen Tochter, bestätigte: "Freundschaften werden immer weniger möglich." Schon im Kindergarten sprächen türkischstämmige Kinder untereinander eben türkisch. "Sie spüren, dass sie nicht wie Deutsche sind." Christoph Fleischhauer bedauerte insgesamt Defizite bei der deutschen Sprache, die er auch bei türkischstämmigen Moersern der jüngeren Generationen feststelle.

Am Ende blieben viele Fragen offen. Aber alle schienen froh, sich ausgesprochen zu haben. Fleischhauer regte weitere solche Runden an. Senol Paskal zeigte sich zuversichtlich: "Je öfter wir uns unterhalten, umso weniger Probleme werden wir in Zukunft haben."

(RP)
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