Unsere Woche Die Moerser SPD gerät ins Trudeln

Moers · Die Gesamtstimmung im Lande spricht ein halbes Jahr vor der Landtagswahl nicht für die SPD. In Moers leisten sich die Genossen zudem hausgemachte Fehler.

Siggi Ehrmann hatte eingeladen, und viele waren gekommen. Über Mangel an Zuspruch konnte sich der Moerser Bundestagsabgeordnete auf der jüngsten Versammlung der SPD-Ortsvereine Moers und Kapellen nicht beklagen, über Mangel an Zuversicht sehr wohl.

Dem Politiker, der im kommenden Jahr aufs bundespolitische Altenteil wechseln wird, schlug eine Woge an Wut, Verbitterung und Verzagtheit entgegen, wie er es wohl lange nicht mehr erlebt hatte. Den Genossen im Saal Engeln schienen die guten Nachrichten von der Präsidentenfront an diesem Abend ziemlich egal zu sein, sie unterbrachen den Redner immer wieder mit Hinweisen auf Missstände - nicht im fernen Berlin, sondern vor Ort.

Da berichtete ein ehemaliger Mitarbeiter des SCI davon, dass Projekte für Bedürftige gestrichen, gleichzeitig aber Mittel für Flüchtlinge aufgestockt worden seien. "Ihr fragt Euch, warum geht die AFD so hoch? Was uns fehlt, ist eine Politik für die in Deutschland lebenden Menschen", sagte er unter dem Beifall der Anwesenden. Das wollte Ehrmann so nicht stehen lassen, musste aber zugleich einräumen, dass "die Stimmung im Lande wohl so ist".

Das ist, ein halbes Jahr vor der Landtagswahl, nicht gut für die SPD, die bei den jüngsten Wahlen mehr Wähler an die AFD verloren hat als die CDU. Doch Ehrmann und der Landtagskandidat Ibrahim Yetim mussten im Haus Engeln einsehen, dass die Negativstimmung längst die eigene Parteibasis erfasst hat.

In Moers kommen noch hausgemachte Probleme hinzu, die vor allem das Verhältnis zwischen Führungselite und Parteibasis auf eine Zerreißprobe stellen könnten. Der Prüfbericht über die Wirtschaftslage der Moers Kultur GmbH, den der Aufsichtsrat der Gesellschaft eigentlich unter Verschluss halten wollte, offenbart einen skandalös leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern, so dass sich jetzt sogar Mark Rosendahl der SPD-Fraktionsvorsitzende genötigt sieht, eine Kursänderung von 180 Grad anzukündigen. Er hat bereits zerknirscht eingeräumt, dass die Warnungen der CDU, das vermeintliche Sparschwein Festivalhalle sei in Wahrheit ein Millionengrab in vollem Umfang der Realität entsprachen.

Anders als die offiziellen Verlautbarungen denken lassen, war das Moers Festival auch innerhalb der SPD nie unumstritten. Doch auch die skeptischsten Genossen ließen sich immer noch mit Hinweis auf das schöne Spektakel der Zeltstadt ködern. Jetzt ist klar: Unter den Augen einer SPD-Kultur-GmbH- Aufsichtsratsvorsitzenden ist die Zeltstadt beerdigt und die Kultur GmbH an den Rand des Bankrotts getrieben worden.

Aber selbst wenn das jetzt zu personellen Konsequenzen führt und wir wohl bald einen neuen Aufsichtsratsvorsitz haben werden, wird das nichts an der Entfremdung zwischen Parteibasis und Parteielite ändern.

Jürgen Schmude, die graue Eminenz in der Moerser SPD, scheint das erkannt zu haben. Im Haus Engeln erinnerte er an sozialdemokratische Verdienste wie das Durchsetzen des Mindestlohns und rief den Genossen zu: "Wir brauchen diese SPD auch weiterhin!" Spätestens bei der Landtagswahl wird man wissen, ob die Bürger das auch so sehen.

Ein schönes Wochenende! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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