Moers Die Nibelungen im Marathon-Durchlauf

Moers · Das Schlosstheater wird zusammen mit 72 Moersern am Sonntag das Nibelungenlied in der Übersetzung von Karl Simrock lesen. Die jüngste Teilnehmerin an der zehn Stunden dauernden Lesung ist 13 Jahre alt.

2400 Strophen in insgesamt 39 "Aventiuren", 72 Vorleser in zehn Stunden: Das sind die nackten Zahlen für ein Ereignis, das am Sonntag, 6. Mai, im Moerser Schloss stattfinden wird. Das Schlosstheater lädt im Rahmenprogramm zur aktuell laufenden Inszenierung "Der Ring. Rheingold im Königssee" zur Marathon-Beteiligungslesung des Nibelungenliedes ein. Intendant Ulrich Greb und sein Team Holger Runge und Larissa Bischof konnten in den letzten Wochen 72 Bürger fürs Mitlesen gewinnen, darunter Bürgermeister Christoph Fleischhauer. Los geht es am Sonntag um zehn Uhr. In einem Sieben-Minuten-Takt werden die Vorleser sich mit den Schauspielern des Schlosstheaters abwechseln und das Epos um Drachentöter Siegfried sowie Kriemhild und ihre schreckliche Rache vortragen. Eröffnet wird die Marathonlesung von Ulrich Greb und Expertin Gaby Herchert von der Universität Duisburg-Essen, mit der das Moerser Theater kooperiert.

"In der Vorbereitung der Ring-Inszenierung haben wir festgestellt, dass wir den Reichtum, der im Nibelungen-Epos steckt, nicht nur mit einer Inszenierung erfassen können", erläuterte gestern Ulrich Greb. Da das Schlosstheater in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen mit Beteiligungslesungen gemacht hatte, so bei der "Odyssee" beispielsweise, entschieden sich der Intendant und sein Team für eine Neuauflage dieser theatralen Form. Gelesen wird das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, das als eines der bedeutendsten Werke der Literatur 2009 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Teile des Nibelungenliedes werden am Sonntag auf Mittelhochdeutsch vorgetragen - die Schauspieler erhielten von Professor Gaby Herchert einen Crash-Kursus. Das Schlosstheater entschied sich für die Übersetzung von Karl Simrock aus dem Jahr 1827. "Der Bonner Philologe wählte die Vers-Übertragung. Das heißt: Der Text reimt sich", sagt Greb. Außerdem habe sich Simrock bemüht, den mittelhochdeutschen Ton zu treffen. "Das hat etwas Gesangliches. Das ist gut, weil es sich ja um ein Lied handelt. Und der Vers gibt beim Lesen halt."

Die Übersetzung Simrocks, so Ulrich Greb, habe zur Popularität des Nibelungenliedes im 19. Jahrhundert bis in die NS-Zeit hinein beigetragen. Das Lied entstand um 1200. "Die Forschung geht davon aus, dass es sich um einen Autor und um eine Auftragsarbeit handelt. Man vermutet, für den Bischof von Passau. Der Autor hatte eine Vorliebe dafür, Kleider und Spielleute positiv zu beschreiben." 20 der im Nibelungenlied beschriebenen so genannten "Aventiuren" berichten vom Untergang der Burgunder. "Die davor handeln von Siegfried und Brunhilde." Die 72 Mitleser bereiten sich bereits fleißig für Sonntag vor. Sie lesen nicht den mittelhochdeutschen Text, sondern die Übersetzung. Tim Isfort, künstlerischer Leiter des Moers Festivals, wird nicht nur lesend, sondern auch musizierend mitmachen. Die jüngste Vorleserin ist 13 Jahre alt. Der Eintritt ist frei. Zuhörer können zwischen zehn und 19 Uhr ins Schloss kommen. Sie dürfen natürlich auch die ganze Zeit bleiben, wenn es heißt: "Uns ist in alten maeren wunders viel geseit..." Am 21. Oktober wird übrigens eine weitere Marathonlesung im Kriemhildsaal des Siegfried-Museums in Xanten stattfinden. Ebenfalls Teil des Rahmenprogramms ist eine Ring-Vorlesung mit der Universität Duisburg-Essen ab Herbst. www.schlosstheater-moers.de

(RP)
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