Kommentar Ein handfester Skandal

Meinung | Moers · Das was seit dem späten Freitagabend in der Moerser Notunterkunft für Flüchtlinge geschieht, ist großartig. Im Schichtbetrieb sorgen bedienstete und freiwillige Helfer rund um die Uhr dafür, dass die Heimatlosen aus aller Welt wenigstens eine halbwegs menschenwürdige Bleibe erhalten. Dieses Engagement verdient höchste Anerkennung.

Also alles gut?

Nein, überhaupt nicht. Denn so vorbildlich das Engagement vieler Moerserinnen und Moerser am vergangenen Wochenende auch war, so groß war die Verärgerung über die Art und Weise, wie ignorant, stümperhaft und gleichgültig auf Landesebene mit dieser humanitären Herausforderung umgegangen wird.

Moers und viele andere Kommunen wurden nicht im geringsten vorgewarnt. Es war ja nun nicht wirklich so, dass ein gewaltiges Raumschiff an einem Tag hunderttausend Flüchtlinge über NRW abgesetzt hätte. Natürlich sind die Flüchtlingszahlen in den vergangenen Wochen angestiegen. Aber dieser Anstieg war von Experten schon vor Monaten prophezeit worden. Dennoch benimmt sich die Bezirksregierung Düsseldorf, der die Landesregierung die Organisation der Erstaufnahme für Flüchtlingefür unsere Region übertragen hatte, sich so, als habe sich das Flüchtlingsproblem von einem auf den anderen Tag ergeben.

Warum hat man sich nicht mit den Kommunen an einen Tisch gesetzt, um die Notmaßnahmen zumindest vorzubereiten? Dann wäre es auch möglich gewesen, erfahrene Betreuer der Hilfsverbände wie Awo, Caritas, Diakonie oder Bunter Tisch ins Verfahren einzubinden.

Geradezu eine Unverschämtheit ist die Informationspolitik der Behörde seit dem Freitagnachmittag. Stundenlang ist der angebliche Ansprechpartner nicht erreichbar. Da niemand in Kapellen wusste, wann wie viele Flüchtlinge ankommen würden, musste am Freitag der komplette Organisationsapparat einschließlich Essensversorgung für 150 Menschen aufrecht erhalten werden. Offenkundig ist auf Landesebene nicht ansatzweise das geleistet worden, was nötig gewesen wäre. Landtagsabgeordnete Ibrahim Yetim und die übrigen Mitglieder des Landtags müssen Rechenschaft verlangen. Das sind sie den vielen Helfern in Kapellen und anderswo schuldig! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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