Interview: Serie Grafschafter Museum Und Rheinische Post Präsentieren Die Schätze Im Moerser Schloss Ein Lehmofen aus dem Mittelalter

Moers · Vor über 800 Jahren entstand der Ofen, dessen Querschnitt heute im Schlosshof ausgestellt ist. 2005 wurde er zufällig bei Baggerarbeiten entdeckt. Unter einer später entstandenen massiven Mauer überdauerte er die Zeiten.

 Stefan Quick, Kulturpädagoge am Grafschafter Museum, zeigt den Lehmkuppelofen, der im Ausgrabungsbereich im Schlosshof zu sehen ist.

Stefan Quick, Kulturpädagoge am Grafschafter Museum, zeigt den Lehmkuppelofen, der im Ausgrabungsbereich im Schlosshof zu sehen ist.

Foto: Klaus Dieker

moers Irgendwann brennt jede Küche ab. Diese Erkenntnis scheinen schon die Herren von Moers bedacht zu haben: Vor über 800 Jahren bauten sie ihren Lehmkuppelofen zwölf Meter von ihrer Turmburg entfernt. Ende 2005 kam der Ofen bei Ausgrabungen auf dem Moerser Schlosshof zum Vorschein: Ein kleiner Bagger hatte mit seiner Schaufel in eine auffällige Lehmschicht gegriffen. Auf einer Seite war der Lehm schwarz. Ein deutliches Zeichen: Hier war Feuer im Spiel.

Die Baggerschaufel wurde schnell durch Pinselchen und Skalpell des Archäologen Hajo Heinrich ersetzt. Zentimeter für Zentimeter arbeitete er sich an den Fund heran. Das Ergebnis war überraschend: Die Lehmschicht gehört zu einem Lehmkuppelofen, der vor über 800 Jahren erbaut wurde. Ein Lehmkuppelofen ist eine simple Konstruktion: Über einem Fundament errichtete man ein kuppelförmiges Weidengerüst, bedeckte es mit Lehm - meist vermischt mit Stroh und Mist - und brannte es aus. Auf entstehende Risse gab man noch einmal Lehm darauf. Schon seit der Jungsteinzeit sind diese Öfen bekannt.

Fladenbrote dufteten beispielsweise aus Lehmkuppelöfen. Aber auch zur Keramikherstellung wurden solche Öfen verwendet. Der Lehmkuppelofen auf dem Moerser Schlosshof dürfte aber als Backofen gedient haben, denn Keramikscherben wurden so gut wie keine im Umfeld des Ofens gefunden. Das Besondere an dem Moerser Ofen ist sein Fundort: Er befindet sich unter einer massiven hochmittelalterlichen Steinmauer. Diese Mauer umgab seit der Zeit um 1300 den Ursprungsturm der Moerser Burg. Sie war zwölf Meter hoch und bis zu drei Meter dick.

Wie kam der Ofen unter diese massive Mauer? Offenbar errichteten die Herren von Moers in der Zeit um 1200, als sie den ersten Teil ihrer Burg bauten, den Ofen lieber einige Meter neben ihrem Wohnturm. Sicherlich scheuten sie die Brandgefahr und den Rauch.

Einige Zeit später umgaben sie ihre ursprüngliche Flachburg mit einem Hügel. Dabei geriet der Ofen unter die Erde. Als sie dann um das Jahr 1300 eine Ringmauer auf dem Hügel rund um ihre Turmburg errichteten, dachte sicherlich niemand mehr an den alten Ofen. Nahezu unerklärlich ist, warum der Ofen den Bau der Mauer unbeschadet überstanden hat - eigentlich hätte er unter dem Gewicht zusammenbrechen müssen. Offensichtlich war der Ofen vor dem Bau der Mauer so stark mit Erdreich verfüllt worden, dass er erhalten blieb. Warum war der Ofen so stark verfüllt? Das wird wohl ein Rätsel bleiben. Die Herren von Moers hatten sich wohl kaum die Mühe gemacht, den Ofen vor dem Bau der Mauer "auszustopfen". Für sie war er ein wertloser Alltagsgegenstand.

Doch der Lehmkuppelofen hat noch eine weitere Besonderheit zu bieten: An einem kleinen Vorsprung sind zwei Vertiefungen zu erkennen - die Abdrücke des Zeige- und Mittelfingers des Ofenbauers, der vor über 800 Jahren diesen Ofen gebaut hat.

Im glasüberdachten Ausgrabungsbereich im Schlosshof ist heute ein Lackprofil - ein Querschnitt des Lehmkuppelofens - zu sehen, umgeben von einer spätmittelalterlichen Zwingermauer mit Schießkammern und Schießscharten. Auch ein unterirdischer Fluchttunnel gesellt sich in dem Ausgrabungsbereich neben den Ofen. Doch hier konnte niemand mit dem Schweinebraten unterirdisch flüchten: Als der Fluchttunnel entstand, war der Ofen längst nicht mehr in Betrieb.

(RP)
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