Moers Ein schönes neues Leben im Altenheim

Moers · Mit 87 Jahren zieht Eveline Viefhaus in das AWO-Seniorenzentrum Moers-Mitte. Ihre Enkelin erzählt von diesem Weg.

 Oma Eveline (rechts) freut sich über das Unterhaltungsprogramm des AWO-Seniorenzentrums Moers-Mitte. Mit einerweiteren Heimbewohnerin spielt sie Bingo.

Oma Eveline (rechts) freut sich über das Unterhaltungsprogramm des AWO-Seniorenzentrums Moers-Mitte. Mit einerweiteren Heimbewohnerin spielt sie Bingo.

Foto: Klaus Dieker

Oma Eveline sitzt in der Cafeteria des AWO-Seniorenzentrums Moers-Mitte. Sie spielt mit den anderen Bewohnern des Altenheims Bingo. Ich sitze neben ihr, halte ihre Hand und beobachte sie. Wie konzentriert sie den Zahlen lauscht und auf ihrem Papier nach ihnen sucht. Zwischendurch sagt ihre Nachbarin: "Frau Viefhaus, Sie haben die Nummer 32" und hilft ihr, die Zahl zu finden. Einer der Bewohner ruft "Kikeriki" und alle fangen an zu lachen. Es macht Spaß zuzusehen, wie viel Freude sie haben, wie sie sich gegenseitig helfen und aufeinander achten.

In meiner Familie standen wir Ende 2015 vor der großen Entscheidung, ob Oma Eveline aus ihrer eigenen Wohnung raus und in ein Heim ziehen muss. In den Gesprächen mit meiner Mutter habe ich gemerkt, dass es ein schwerer Schritt ist, seine Eltern aus der gewohnten Umgebung herausnehmen zu müssen. Den richtigen Moment zu erkennen, in dem ein eigenständiges Leben und Wohnen nicht mehr möglich ist. Über seine Eltern zu entscheiden. Nicht mehr Kind sein zu dürfen, sondern die Verantwortung über Mutter und Vater zu übernehmen. Sie zu beschützen, für sie zu sorgen und Entscheidungen zu treffen.

Meine Oma Eveline ist stolze 87 Jahre alt. Seit mehreren Jahren leidet sie unter Demenz. Bis zum vergangenen Herbst konnte sie noch selbstständig in ihrer Wohnung leben. Meine Mutter, von Beruf Pflegehelferin in der ambulanten Pflege, kümmerte sich täglich um sie. Dank ihr war es möglich, dass Oma alleine wohnen konnte. Für meine Mutter war es eine schlimme Vorstellung, Oma ins Heim "abzuschieben". Sie hatte Angst, dass sie sich an die neue Umgebung nicht gewöhnen würde.

Ein Schicksalschlag sollte uns jedoch eines Besseren belehren. Anfang Oktober fiel meine Mutter die Treppe herunter. Aufgrund eines komplizierten Beinbruches konnte sie sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr um Oma kümmern. Wir entschlossen uns als Familie dazu, dass es für beide Seiten das Beste sei, wenn Oma in ein Heim ziehen würde.

Meine Mutter war sofort vom AWO-Seniorenzentrum Moers-Mitte begeistert. Sie berichtete von dem Heim mit 86 Einzelzimmern, einer schönen Terrasse, freundlichen und kompetenten Mitarbeitern und einem ausgiebigen Wochenprogramm. Die Bedenken und Gewissensbisse blieben jedoch. Ihr eigenes Elternhaus aufzulösen und ihre Mutter in ein Heim zu geben, waren belastende Gedanken.

Mitte April war endlich ein Heimplatz frei. Mit einigen eigenen Möbeln, vertrauten Bildern und vielen Fotos der Familie machten wir das Zimmer im Heim gemütlich. Von Anfang an nahm Oma an allen Unterhaltungsprogrammpunkten teil.

Der Tag beginnt mit dem gemeinsamen Frühstück, anschließend steht Gymnastik, Gedächtnistraining oder Kegeln auf der Tagesordnung. Um 13 Uhr folgt das Mittagessen, um 15 Uhr sitzt man bei Kaffee und Kuchen beisammen. Nachmittags gibt es einen weiteren Programmpunkt, wie zum Beispiel das Singen mit den Mundharmonikerspielern oder das Bingo spielen. Der Tag endet mit dem Abendessen um 18 Uhr. Oft erzählt Oma mir, dass sie gar nicht mehr zum Fernsehen kommt, da so viel im Heim los ist.

Oma Eveline hat sich zum Positiven verändert. Jeden Tag zieht sie sich schick an, manchmal schminkt sie sich sogar wieder. Aufgrund ihrer Demenz fällt ihr das Sprechen oft schwer, doch seitdem sie im Heim ist, spricht sie mehr und auch besser. Sie erlebt mehr, worüber sie sprechen kann und muss sich im Gespräch mit Bewohnern und Pflegern konzentrieren, um die passenden Worte zu finden. Sie lacht wieder. Und manchmal, wenn sie besonders gute Laune hat, summt sie ein Lied und tanzt darauf Walzerschritte. Es tut gut, als Angehöriger zu sehen, wie ein geliebter Mensch wieder das Leben genießt.

Ich habe in den vergangenen Monaten gemerkt, was für eine starke Frau meine Oma ist. Nicht ein Mal hat sie vor uns geweint, oder gesagt, dass sie zurück möchte. Stattdessen macht sie das Beste aus der neuen Lebenssituation.

Mit einem "Bingo!" werde ich aus meinen Gedanken zurück geholt. Der Mann vom Nachbartisch hat das Spiel gewonnen und erhält von der Pflegekraft eine große Tüte voller Süßigkeiten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort