Prof. Dr. Okko Herlyn Ernsthafte Theologie als Lesegenuss

Moers · Der ehemalige Pfarrer, Hochschullehrer und nach wie vor aktive Kabarettist aus Duisburg schrieb eine Glaubensorientierung, die sich an jedermann richtet. Ein solches Buch darf auch mal unterhaltsam daherkommen, sagt er.

 Okko Herlyn schreibt so, dass sich auch Leser ohne theologische Vorkenntnisse angesprochen fühlen.

Okko Herlyn schreibt so, dass sich auch Leser ohne theologische Vorkenntnisse angesprochen fühlen.

Foto: marc albers

Niederrhein "Was ist eigentlich evangelisch? Eine Orientierung" heißt das gerade erschienene Buch von Prof. Dr. Okko Herlyn (Jahrgang 1946), der viele Jahre als Pfarrer in Duisburg-Wanheim gearbeitet hat, dann Theologieprofessor in Bochum wurde und einer größeren Öffentlichkeit als Liedermacher und Kabarettist bekannt ist. RP-Redakteur Peter Klucken hat das Buch mit Freude und Gewinn gelesen und Okko Herlyn interviewt.

"Evangelisch" kommt von "Evangelium", heißt eine Kapitelüberschrift in Ihrem neuen Buch. Weshalb erklären Sie eine solche "Selbstverständlichkeit"?

herlyn Schön, wenn es so selbstverständlich wäre. Aber ich beobachte in meiner Kirche seit längerem doch eine erschreckende Evangeliumsvergessenheit. Da werden irgendwelche banalen Allerweltsweisheiten als "Evangelium" verkauft. Wir müssen wohl ganz neu lernen, schlicht die Bibel aufzuschlagen, um ihre - mitunter sicher auch sehr unbequeme - Botschaft wahrzunehmen.

Sollen evangelische Christen "fromm" sein?

Herlyn Evangelische Christen sollen vor allem auf das Evangelium hören. Und sie sollen darauf in unverkrampfter Weise mit Gebet und Lied antworten. Schließlich sollen sie im Alltag mit ihrem Verhalten glaubwürdige Zeugen ihres Glaubens sein. Wenn man das alles "fromm" nennen will, dann will ich gerne fromm sein. Ich stelle allerdings fest, dass sich stattdessen immer mehr das Wort "Spiritualität" einschleicht. Mein Verdacht ist, dass sich dahinter meist nur ein religiöser Ego-Trip verbirgt. Das hat dann allerdings mit dem Evangelium ziemlich wenig zu tun.

Um zu beschreiben, was evangelisch ist, zeigen Sie in Ihrem Buch gelegentlich auf, was die evangelische von der katholischen Kirche unterscheidet. Die Gnadenlehre ist in diesem Zusammenhang wichtig. Ist das ein heikles Kapitel?

herlyn Ja. Aber nicht so sehr in Abgrenzung zur katholischen Kirche, sondern als etwas, das einen empfindlichen Nerv gerade des modernen Menschen berührt, dieses freudlosen Sklaven seiner eigenen Selbstinszenierung. Vielleicht haben wir es heute mit anderen Göttern oder Göttinnen zu tun als zu Luthers Zeiten. Aber wenn sich bereits fünfjährige Kinder mit ihren Markenjeans gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, merken wir, wie nötig wir die schlichte Botschaft des "allein aus Gnade" haben. Nämlich: Du bist Gott recht - ohne alle Vorleistung. Das kann man in einem guten Sinne durchaus als "heikel" betrachten, weil es mein Lebenskonzept womöglich sehr in Frage stellt.

Wie schätzen Sie überhaupt das Nebeneinander der Kirchen ein? Passt dieses Nebeneinander noch in die heutige Zeit?

herlyn Das kommt sehr darauf an, wie man dieses Nebeneinander versteht. Die Zeiten des Gegeneinanders sind - zumindest in unseren Breiten - Gott sei Dank lange vorbei. Meine Beobachtung allerdings ist, dass an seine Stelle weitestgehend eine gegenseitige Gleichgültigkeit getreten ist. Ich kann gut mit einer Ökumene leben, in der die Verschiedenheit der Konfessionen nicht geleugnet, sondern als wechselseitige Bereicherung erfahren wird. Da darf dann auch einmal wacker und geschwisterlich miteinander gestritten werden. Nichts ist furchtbarer als eine belanglose und langweilige Christenheit.

Sie warnen vor einer Kirchenmusik, in der fröhlich alle Probleme weggeklampft werden. Worauf spielen Sie an?

herlyn Mit Recht ist die Kirchenmusik eines der Markenzeichen der evangelischen Kirche. Ob Bach oder Paul Gerhardt, "Danke" oder Taizé-Lieder - ohne Musik, vor allem ohne gemeindlichen Gesang ist eine evangelische Kirche nicht denkbar. Gleichwohl ist die Musik für die Kirche kein Selbstzweck. Dass manche Menschen gerne Orgelmusik hören, andere Gospels oder blusige Gitarrenklänge in der Kirche "cool" finden, kann der Öffnung zur biblischen Botschaft dienen, es kann sie aber auch vernebeln. Was nützt das eindrucksvollste Kirchenkonzert, wenn dabei das Evangelium gar nicht mehr deutlich wird?

Sie haben als Gemeindepfarrer gearbeitet, waren dann Professor für Theologie und sind nach wie vor Liedermacher und Kabarettist. Beim Lesen Ihres Buches hatte ich den Eindruck, dass alle drei Professionen ziemlich gleichberechtigt durchscheinen. Wie sehen Sie das selber?

herlyn Grundsätzlich sage ich mit dem Prediger Salomo schlicht: Alles zu seiner Zeit. Als Gemeindepfarrer bestand meine Aufgabe vor allem in Verkündigung und Seelsorge. Auch manche Lieder sind so entstanden. Als Hochschullehrer ging es vor allem darum, die Inhalte des Glaubens verständlich zu machen. Als Kabarettist schließlich versuche ich, einige Dinge in Kirche und Gesellschaft in humorvoller Weise zu entlarven. In meinem Buch laufen in der Tat alle diese "Professionen" einander über den Weg. Ich finde, auch ernsthafte Theologie darf mal unterhaltsam daherkommen.

Haben Sie mit ihrem Buch eine bestimmte Zielgruppe vor Augen?

herlyn In der Tat. "Was ist eigentlich evangelisch?" ist kein spezielles Fachbuch für Theologen, sondern für jeden interessierten Leser - auch ohne alle Vorkenntnisse. Deshalb beginnt jedes Kapitel mit einer Alltagssituation. Meist sind es Gespräche "über den Gartenzaun", in der ich eine Spur aufzunehmen versuche, die für das Grundthema von Bedeutung ist. Nach einer biblisch-theologischen Vertiefung kommt es dann am Ende wieder zu ganz praktischen Fragen des evangelischen Christseins heute. Mein Buch will vom zweifelnden Jugendlichen bis zur Verkäuferin im Supermarkt verstanden werden.

Okko Herlyn: Was ist eigentlich evangelisch? Eine Orientierung. 191 Seiten. Neukirchener Verlagsgesellschaft. 14,99 Euro. (Das Buch ist in allen Buchhandlungen zu bekommen oder kann dort bestellt werden.)

(RP)
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