Moers Extremismus auf der Theaterbühne

Moers · Die elsässische Regisseurin Catherine Umbdenstock inszeniert für das Moerser Schlosstheater das Stück "Pornographie" des britischen Autors Simon Stephens. Es entstand nach den Selbstmordattentaten in der Londoner U-Bahn 2005.

 Regisseurin Catherine Umbdenstock (Mitte) mit Bühnenbildnerin Elisabeth Weiß (links) und Dramaturgin Annika Stadler.

Regisseurin Catherine Umbdenstock (Mitte) mit Bühnenbildnerin Elisabeth Weiß (links) und Dramaturgin Annika Stadler.

Foto: Klaus Dieker

Die Katastrophe folgt einer kurzen Nacht der Euphorie. London feiert am 6. Juli 2005 die Vergabe der Olympischen Spiele für das Jahr 2012. Am nächsten Morgen, mitten in der englischen Rush Hour, passiert das Unfassbare: Vier Selbstmordattentäter sprengen mehrere U-Bahn-Wagen und einen Bus in die Luft. 52 Menschen sterben, 700 Menschen werden verletzt. "Es gibt kaum Autoren, die sich mit dieser Katastrophe auseinander gesetzt haben", erzählt Regisseurin Catherine Umbdenstock. Bis eben auf Simon Stephens. Der britische Autor entwirft in "Pornographie" ein Kaleidoskop von Szenen, das nicht so sehr die politische Dimension beleuchtet, sondern den Alltag von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen vor der ganz eigenen Grenzüberschreitung stehen: der Schuljunge, der sich in seine Lehrerin verliebt, dessen Liebe aber nicht erwidert wird oder die Karrierefrau, die nach einer Demütigung durch ihren Boss ihre Firma verrät.

"Es ist toll, dass sich das Stück diesem schwierigen Thema über die Menschen annähert. Es ist psychologisch, filmisch und realistisch", erklärt Catherine Umbdenstock, die das Thema für das Schlosstheater in der Kapelle an der Rheinberger Straße umsetzt. Der kleine Raum, der gerade mal Platz für 47 Zuschauer bietet, wird für die Nähe sorgen, die ein solches Kammerstück braucht. Die Bühne, eine schwarze Schräge, greift direkt in den Raum ein. "Das Publikum hat lediglich einen Sicherheitsabstand von einem Meter", sagt Dramaturgin Annika Stadler lächelnd. Die von Elisabeth Weiß ausgestattete Bühne bietet auch eine Anspielung auf den Titel des Stücks. Die Zuschauer werden auf drei voneinander getrennte Fenster blicken, die ein wenig ans Rotlichtmilieu erinnern.

Der Titel ist auf den ersten Blick vielleicht ein wenig irreführend. "Es geht nicht darum, Sexualität auszustellen", betont Catherine Umbdenstock, die in der letzten Spielzeit das Stück "Ausnahmezustand" erfolgreich in Moers inszeniert hatte. "Es stellt vielmehr den Voyeurismus, das Beobachten heraus. Die Figuren, die Simon Stephens zeichnet, geben viel von sich preis." Die junge freie Regisseurin, die sowohl in Deutschland als auch in Frankreich an Theatern und mit einer eigenen Compagnie arbeitet, bewegt das Thema - auch, weil sie sich während der Attentate auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Frankreich aufhielt. Die Uraufführung von Pornographie zwei Jahre nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn fand nicht in England statt. Simon Stephens wählte mit Hannover eine deutsche Stadt, weil er glaubte, dass die Erinnerung an das Attentat noch zu überwältigend für die Briten sei. Der Autor schrieb sieben Szenen, dazwischen gibt es kleine Regieanweisungen wie "Bilder aus der Hölle. Sie sind stumm." Die Spannung, die in "Pornographie" aufgebaut wird, lässt am Ende offen, wer der Attentäter denn sein könnte: der Geschäftsmann, der Schüler oder die Frau, die ihr Kind abholt. Stephens geht der Frage nach, wie Menschen zu dem Punkt kommen, dass sie zu Extremisten werden. Um den Zuschauer ein Gefühl für das England jener Tage zu geben, ordnet Umbdenstock jeder Figur ein britisches Musikstück zu. Es werden Songs unter anderem von David Bowie und Sting zu hören sein.

Die Premiere ist am Freitag, 30. Oktober, in der Kapelle Rheinbergerstraße. Weitere Aufführungen sind am 5., 7., 22. November sowie am 4. und 12. Dezember. Es spielen Matthias Heße, Frank Wickermann und Marisa Möller. Infos: www.schlosstheater-moers.de.

(RP)
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