Moers Geißlers Appell für eine bessere Welt

Moers · Der Bundesminister a. D. war zu Gast in der Stadtkirche. Anknüpfend an Martin Luther, forderte er mehr Gerechtigkeit.

 Heiner Geißler hat sich neben seiner Karriere als CDU-Bundespolitiker als Buchautor und kritischer Mahner profiliert. Zahlreiche Menschen kamen in die Stadtkirche, um den Vortrag des 86-Jährigen zu hören.

Heiner Geißler hat sich neben seiner Karriere als CDU-Bundespolitiker als Buchautor und kritischer Mahner profiliert. Zahlreiche Menschen kamen in die Stadtkirche, um den Vortrag des 86-Jährigen zu hören.

Foto: KLaus Dieker

Im Rahmen der ökumenischen Stadtkirchengespräche war am Donnerstagabend ein prominenter Gast in Moers, der für eine bis auf den letzten Platz besetzte Kirche sorgte: Heiner Geißler, Bundesminister a.D., sprach zu Beginn des Lutherjahres über die Wirkung des Reformators und darüber, was er wohl zu den aktuellen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft zu sagen hätte.

Zunächst erzählte der 86-jährige, wie er als ehemaliger Jesuitenschüler und späterer CDU-Politiker überhaupt dazu kam, sich intensiv mit Martin Luther zu beschäftigen. Seine erste Begegnung mit dem Streit der Konfessionen hatte er als Bub bei seiner frommen, katholischen Großmutter. Er wunderte sich, weshalb er dem Priester - verborgen vor den Augen des Großvaters- Geld zustecken sollte. "Das ist ein Ablass für meine Sünden, mein Kind", war die Antwort der Oma.

Der junge Geißler stand also vor den Relikten einer Praxis der katholischen Kirche des Mittelalters. Gegen diese unheilvolle Verquickung von Kirche, Kapital und weltlicher Macht hatte sich Luther im Jahr 1517 mit seinen 95 Thesen gewandt. Geißler referierte, dass die Kirche die Menschen durch die Lehre von der Erbsünde in Angst und Schrecken versetzt hätte und davon finanziell extrem profitiert hätte. Luther aber, der selber auch unter dieser "Sündenhysterie" gelitten habe, hätte erkannt, dass weder Geldzahlungen noch gute Werke zu einer Versöhnung mit Gott führen können, sondern dass dies allein der Glaube an die Gnade Gottes könne. Mit der darauf folgenden reformatorischen Bewegung sei die Ehe für Geistliche und das Predigtamt für Frauen möglich geworden. Der Zölibat und die immer noch andauernde Diskriminierung der Frau seien Dinge, die die katholische Kirche im Lutherjahr dringend ändern müsse, so Geißler. "Die weltweite Frauenrechtsverletzung ist die größte Katastrophe", sagte Geißler, "Luther würde diese Relikte heute beseitigen."

Nicht nur die verquere Frauentheologie, die nichts mit dem Frauenbild Jesu zu habe, sei Ursache für viel Unglück auf der Welt. Auch ein Menschenbild, in dem der Mensch zum reinen Objekt der kapitalistischen Kräfte degradiert werde, sei katastrophal. Ausgehend von Jesus sei die Würde des Menschen in Gott verankert und beruhe ein geordnetes Zusammenleben auf der Pflicht zur Nächstenliebe.

Seit Luther sei klar, dass das Evangelium eine politische Dimension habe. Er würde heute für ein neues, gerechteres Wirtschaftssystem plädieren, ist Geißler überzeugt. Die christlichen Kirchen sollten die Hindernisse auf dem Weg zur Ökumene beseitigen und die geistliche Kraft von insgesamt zwei Milliarden Christen nutzen, so Geißler. Großen Applaus erntete auch sein Vorschlag, die weltweite Armut durch eine Steuer auf Finanztransaktionen zu bekämpfen.

Geißler wählte klare Worte für das, was schief läuft: "Es gibt auf der Erde Geld wie Dreck, es haben nur die falschen Leute." Gleichzeitig ermutigte er, dass Veränderung möglich sei.

(rauh)
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