Moers Journalisten sind machtlos gegen psychische Gewalt

Moers · Erstaunt und fassungslos - so lassen sich die Teilnehmer-Reaktionen des jüngsten Mittwochsgesprächs des Presseclubs Niederrhein (PCN) beschreiben. Um die Mitglieder und Gäste auf das Thema "Journalisten als Zielscheibe? - Gehören Übergriffe zum Alltag?" einzustimmen, wurden im Casino der Sparkasse am Niederrhein gleich zu Beginn zwei Beispiele präsentiert: Die an einige Redakteure gerichtete Drohung des deutschen Salafistenführers Pierre Vogel per Video nach einer kritischen Berichterstattung über die bevorstehende Gründung einer erzkonservativen Koranschule in Mönchengladbach. Und eine Auswahl von gefälschten Todesanzeigen kritischer Journalisten, die in den sozialen Netzwerken von Neonazis veröffentlicht wurden.

"Und wie fühlen Sie sich jetzt?", fragte PCN-Vorsitzende Sigrid Baum nach der Präsentation. Denn manche Journalisten zahlen einen hohen Preis dafür, wenn sie sich nicht einschüchtern lassen. Hautnah hatte der ehemalige Lokalredakteur Herbert Baumann die Entwicklung der Salafistenszene in seiner Heimatstadt Mönchengladbach miterlebt, aus der auch Pierre Vogels Stellvertreter Sven Lau stammt. "Das war eine sehr subtile Geschichte. Erst später haben die ihr wahres Gesicht gezeigt." Angst habe er persönlich nicht gehabt, doch im Laufe der Berichterstattung über die Salafistenschule habe er seine Beiträge nicht mehr mit dem Namen gekennzeichnet.

Im Gegensatz zu Baumann hatte der unter Pseudonym arbeitende Journalist Michael Klarmann aus Aachen auch schon körperliche Übergriffe bei Demonstrationen zu erleiden. Durch seine kritische Berichterstattung über die Neonazi-Szene zwischen Aachen und Mönchengladbach geriet er schnell in das Fadenkreuz der Nationalen. Als es dann auch noch eine Bombendrohung gab, war klar, dass ein Wohnungswechsel nötig wurde. "Wenn man wie ich arbeiten will, muss man auch Einschnitte im privaten Umfeld hinnehmen."

Der Dortmunder Journalist Sebastian Weiermann erhielt über sein Handy den Hinweis auf einen Facebook-Link. Als er ihn anklickte, las er seine eigene Todesanzeige. "Ich habe erst einmal gelacht. Man muss mit solchen Dingen offensiv umgehen, weil man den Neonazis nicht die Möglichkeit geben sollte, Druck auf einen aufbauen zu lassen."

Natürlich ist auch er vorsichtiger geworden. "Zu Demonstrationen von Rechten nehme ich vielleicht einen anderen Zug oder steige eine Station vorher aus."

Auch wenn Michael Klarmann und Sebastian Weiermann nach den Übergriffen auf ihre Person juristische Schritte eingeleitet haben - rechtliche Erfolge konnten sie noch nicht erzielen. Christian Weihe, Justiziar des Deutschen Journalisten Verbandes NRW, sagt: "Leider sind in solchen Fällen Journalisten machtlos gegen psychische Gewalt. Die Täter bleiben gerade im Internet unbekannt. Mit Unterlassungsklagen kommt man an die Urheber nicht heran."

Ein Fazit des Abends war, dass die Berichterstattung über die extremistischen Randgruppen der Gesellschaft auch weiterhin mit Gefahren verbunden sein wird.

(p-m)
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