Moers Katechismus steckte in einer Ritze der Empore

Moers · Bauarbeiter fanden bei der Sanierung der Moerser Stadtkirche eine Ausgabe des Heidelberger Katechismus' aus dem Jahr 1774.

 Pfarrer Torsten Maes zeigt den Heidelberger Katechismus, den Arbeiter unter der Empore gefunden hatten.

Pfarrer Torsten Maes zeigt den Heidelberger Katechismus, den Arbeiter unter der Empore gefunden hatten.

Foto: Klaus Dieker

Wie lange mag das Büchlein wohl in einer Ritze in der Empore gesteckt haben? Die Ausgabe des Heidelberger Katechismus, die vor Weihnachten bei Arbeiten in der Stadtkirche gefunden worden war, ist auf jeden Fall ein historisch bedeutender Fund: Sie stammt aus dem Jahr 1774. "Gedruckt und verlegt bei der Witwe Sitzmann in Kleve, königl. preuß. Hofbuchdruckerin". So steht es auf dem gut erhaltenen Deckblatt geschrieben. Mitarbeiter der Firma Riedel hatten den Katechismus entdeckt, als sie das Pliesterwerk unterhalb der Empore in der Stadtkirche öffneten. Das Moerser Wahrzeichen ist wegen dringend notwendiger Sanierungsarbeiten seit März 2011 geschlossen.

Der Heidelberger Katechismus ist der Standard-Katechismus der reformierten Kirche. Er wurde 1563 in Heidelberg erstmals herausgegeben und war sowohl Unterrichtsbuch für Kirche und Schule als auch Bekenntnisschrift, Trost- und Gebetbuch. Er besteht aus 129 nicht nummerierten Fragen und Antworten und hat eine Dreiteilung: von des Menschen Elend, Erlösung und von der Dankbarkeit. "Viele ältere Moerser können die Fragen und Antworten noch heute aufsagen", weiß Maes. 2013 wurde der Heidelberger Katechismus 450 Jahre alt. So alt ist das in Moers gefundene Buch nicht.

"Der Katechismus fiel den Arbeitern entgegen, als sie die Verkleidung an er Empore abnahmen", sagt Pfarrer Torsten Maes. Er vermutet, dass er seinerzeit seinem Besitzer aus den Händen gefallen und dann in einer Lücke unten den Bänken verschwunden war. "Die Arbeiter haben ihren Fund sorgsam aufbewahrt und uns übergeben", freut sich der Pfarrer der Stadtkirche. Dieser Katechismus "samt den Kirchen-Formularien, einigen Gebeten und den uralten Glaubensbekenntnissen" hat die Zeiten erstaunlich gut überstanden. Es fehlt zwar der Einband, die einzelnen Seiten sind aber noch gut zu lesen. Der historische Fund beflügelt die Fantasie.

"Die Vorstellung, dass der Besitzer in unserer Kirche gesessen hat, finde ich spannend. Es müssen reiche Leute gewesen sein", vermutet Torsten Maes. "Wer konnte sich damals denn schon einen Katechismus leisten?" Damals, im 18. Jahrhundert, waren die Preußen nach 100-jähriger oranischer Herrschaft nach Moers gekommen. Friedrich II. ließ 1763 seine niederrheinischen Festungen schleifen, wie auf der Homepage des Grafschafter Museums zu lesen ist. Und das Schloss diente im 18. Jahrhundert als "Königliches Amtshaus". Der Heidelberger Katechismus aus der Stadtkirche umfasst ein Gesangbuch mit Noten und Liedern wie "Nun danket alle Gott" und "Wie oft habe ich den Bund gebrochen". Im Büchlein finden sich einige Strichzeichnungen, so als ob sein Besitzer darin gemalt hätte. Ein Kreuz ist auf einer der Seiten deutlich zu erkennen. Der Fundstück soll in der Dauerausstellung des Grafschafter Museums im Schloss einen Platz finden. Die Arbeiter fanden übrigens nicht nur den Katechismus, sondern auch eine vergilbte Einladung zu einem Kammermusikabend mit den Bamberger Symphonikern in der Aula der Kreisberufsschule, der irgendwann nach 1956 in Moers stattgefunden haben muss. Und einige Packungen "Orienta-Zigaretten".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort