Moers Krimi: Von Tschernobyl an den Niederrhein

Moers · Mechthild Borrmann hat aus ihrem Roman "Die andere Hälfte der Hoffnung" vorgelesen.

 Mechthild Borrmann liest im Wiesenhof.

Mechthild Borrmann liest im Wiesenhof.

Foto: Klaus Dieker

Ein kleines Dorf nahe der ukrainischen Stadt Prybjat und ein niederrheinischer Bauernhof bei Kranenburg an der holländischen Grenze. Zwei Orte, die auf den ersten Blick nichts mit einander zu tun haben. Doch das soll sich schnell ändern, als eine junge Ukrainerin am 14. Februar 2010 auf dem Hof des 70-jährigen Bauern Matthias Lessmann in Zyfflis Zuflucht vor zwei skrupellosen Düsseldorfer Mädchenhändlern sucht.

Prybjat und Zyfflis sind die beiden Tatorte des neuesten Kriminalromans "Die andere Hälfte der Hoffnung", mit dem die Bielefelder Schriftstellerin Mechthild Borrmann am Donnerstag im Rahmen des Moerser Krimifestivals in der Holderberger Party-Lokalität "Wiesenhof" zu Gast war.

"Die andere Hälfte der Hoffnung" ist ihr inzwischen sechster Kriminalroman, und wie bei den vorherigen, geht es darin auch diesmal nicht nur um Mord und andere Verbrechen, sondern um ein besonderes zeitgeschichtliches Ereignis und dessen Auswirkungen auf die davon betroffenen Menschen. In diesem Fall ist es das Reaktorunglück von Tschernobyl am 26. April 1986, das das Leben einer ehemaligen russischen Krankenschwester und ihrer Tochter bis in die Gegenwart hinein verfolgt, und schließlich den einsamen verwitweten Bauern Matthias Lessmann im niederrheinischen Zyfflich dazu bringt, einen Menschen zu erschießen.

Insgesamt zweimal war Mechthild Borrmann für die Recherchen zu ihrem Buch nach Tschernobyl gereist und hatte dort mit zahlreichen Zeitzeugen des Unglücks gesprochen. Mit den dabei entstandenen Fotos gestaltete sie am Mittwoch den ersten Teil ihrer Lesung. Parallel dazu beantwortete sie der freiberuflichen WDR-Journalistin Monika Hanewinkel eine Reihe interessanter Fragen nicht nur zu ihren Reiseeindrücken, sondern auch zu ihrem Lebenslauf und der Art und Weise ihres Schreibens. Letztere beschrieb sie als "eher altmodisch" und "akribisch".

So mache sie zum Beispiel von sämtlichen größeren ihrer Romanfiguren vorab einen sehr detaillierten Lebenslauf, und wenn die Handlung, wie in diesem Fall, aus mehreren in einander verwobenen Strängen bestehe, schreibe sie die nicht jeweils einzeln an einem Stück, sondern flechte sie nacheinander wie einen Zopf zusammen. "Ich denke, das würde man sonst am Erzählfluss merken." Soweit zur Theorie.

Den praktischen Eindruck von Mechthild Borrmanns Schreiweise erhielten die Besucher dann eindrucksvoll im zweiten, eigentlichen Leseteil der Veranstaltung. Dabei entführte sie die Autorin mit geschulter Vorlesestimme wechselweise mal in die Ukraine, wo die einstige Krankenschwester Walentyna das Tschernobyl-Unglück zu Papier bringt, und an den Niederrhein, wo Bauer Lessmann mehr oder weniger freiwillig zum Retter ihrer angeblich in Deutschland studierenden Tochter Tanja wird.

(lang)
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