Rheurdt Künstler verlegt Stolpersteine in Rheurdt

Rheurdt · An drei Stellen im Ort erinnern nun die ins Pflaster eingelassenen Gedenksteine an die jüdischen Bürger von Rheurdt. Fast alle wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Schüler aus Kamp-Lintfort haben ihr Schicksal aufgearbeitet.

 An der Rathausstraße wurden vier Steine verlegt. Vorn von links: Bürgermeister Klaus Kleinenkuhnen, Künstler Günter Demnig und Tanja Junkers, Lehrerin der Unesco-Schule, die das Schülerprojekt zu diesem Anlass leitete.

An der Rathausstraße wurden vier Steine verlegt. Vorn von links: Bürgermeister Klaus Kleinenkuhnen, Künstler Günter Demnig und Tanja Junkers, Lehrerin der Unesco-Schule, die das Schülerprojekt zu diesem Anlass leitete.

Foto: Reichwein

Kamp-Lintfort Die Erinnerung an die jüdischen Bürger von Rheurdt, die Opfer des Rassenwahns im "Dritten Reich" wurden, ist seit gestern unübersehbar im Ortsbild verankert. An drei Stellen im Kern wurden sogenannte Stolpersteine in das Bodenpflaster eingelassen, dort, wo einst jüdische Familien wohnten. Die Steine fordern zum Innehalten und zum Gedenken auf. Sie halten die Namen der Menschen wach.

Im Vorfeld hatten Jugendliche der Unesco-Schule in Kamp-Lintfort sich im Rahmen eines Projektes mit dem Schicksal der jüdischen Bürger beschäftigt und dazu Faltblätter angefertigt. Außerdem sammelten sie mit ihrer Lehrerin Tanja Junkers 1000 Euro für die Verlegung der Steine. Die verbleibende Summe trägt die Gemeinde.

Bürgermeister Klaus Kleinenkuhnen sprach von einer "Aktion gegen das Vergessen". Gerade für junge Menschen biete sich hier eine Möglichkeit, das damalige Geschehen zu erforschen, anhand von Schicksalen aus der eigenen Nachbarschaft. Die jüdischen Bürger seien bis 1933 ganz selbstverständlich ins Dorfleben eingebunden gewesen. Diese Menschen mussten plötzlich erleben, wie man sie öffentlich demütigte und rechtlos machte. Dennoch blieben sie in ihrem Heimatort. Von jenen, an die mit den Steinen erinnert wird, gelang nur einer, Lieselotte Seemann, die Flucht aus Nazi-Deutschland, die anderen wurden verschleppt und starben in Konzentrationslagern. Dies sind ihre Namen: Martha Leiser, Bernhard Leiser, Hans Leiser, Moses David, Jakob David, Rosette David, Friedrich und Frieda Seemann, Georg Kaufmann, Paula Kaufmann, Amalie Kaufmann, Margot Kaufmann. Der Heimathistoriker Theo Mäschig hatte mit seinen Recherchen dafür gesorgt, dass die Geschichte der Rheurdter Juden nicht in Vergessenheit geriet, eine Leistung, die Bürgermeister Kleinenkuhnen ausdrücklich würdigte.

Der Kölner Künstler Günter Demnig hat seit den 90er Jahren in mittlerweile 19 Ländern Stolpersteine installiert, jeweils vor Häusern, in denen einst jüdischen Bürger lebten. Für ihn ist daraus längst ein Lebenswerk geworden. Rund 52 000 Steine hat Demnig bereits zum Gedenken an die Opfer des Holocausts verlegt. Schon jetzt handelt es sich um das größte dezentrale Mahnmal der Welt. "Manchmal werde ich gefragt, ob das nicht zu einer Routine wird", sagte Demnig. "Aber es sind immer wieder andere Schicksale, mit denen man konfrontiert wird." Er habe erlebt, dass Überlebende die Steine auch als eine Möglichkeit des Abschiedes begreifen - von Angehörigen, die kein Grab haben.

(RP)
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