Moers Literaturpreisträgerin liest lakonische Lyrik

Moers · Lütfiye Güzel beeindruckte die Gymnasiasten in den Filder Benden mit nachdenklichen Texten.

 Bei ihrer Lesung herrschte keine Langeweile: Lütfiye Güzel beantwortete alle Fragen und Anmerkungen der Deutsch-LK-Schüler.

Bei ihrer Lesung herrschte keine Langeweile: Lütfiye Güzel beantwortete alle Fragen und Anmerkungen der Deutsch-LK-Schüler.

Foto: Christoph Reichwein

Obwohl Max Kroll (17) sich schnell umdreht und die Gesichter in der Reihe hinter ihm mustert, soll er auf die Bühne. Oder gerade deswegen: "Du schaust weg, das ist immer gefährlich", sagt Schriftstellerin Lütfiye Güzel vom Aula-Podium des Gymnasiums Filder Benden aus. "Lies' doch mal ein Gedicht vor." "Wie lang ist denn das?", fragt Max. "Ganz kurz." Der Schüler seufzt, erhebt sich, läuft mit langsamen Schritten zur Bühne. Oben angekommen, überfliegt er einige Zeilen in Güzels Lyriksammlung "Faible?", während die Autorin im Publikum Platz nimmt.

Als Max beginnt, das Gedicht "Gastarbeiter" vorzutragen, wird es still. Sein Lesestil ist eine Überraschung: Es wirkt, als würde er in Güzels Text seine Gedanken finden. Die Melancholie, die im Werk mitschwingt, bringt er lakonisch auf den Punkt. Plötzlich ist er ein "deprimiertes Kind", und spuckt "in hohem Bogen runter, auf die Stadt, die immer schläft" oder ist ein guter Verlierer in der Liebe. "Ich habe an etwas gedacht, weiß aber nicht mehr, was", spricht er einen Gedanken Güzels aus, als wäre es sein eigener. Ab und zu gerät er ins Stocken, kommentiert: "Das hatten wir schon" und macht an einer anderen Stelle weiter. "Wenn du das weißt, hast du mir die ganze Zeit beim Lesen zugehört", witzelt Güzel und alle lachen. Sie kehrt auf die Bühne zurück und erlöst Max von seiner unfreiwilligen Rolle als Vorleser. "Das soll nicht arrogant klingen", meint Güzel, "aber wenn Max meine Texte vorliest, weiß ich, warum ich einen Preis bekommen habe."

2014 gewann die gebürtige Duisburgerin den Fakir-Baykurt-Kulturpreis, 2017 folgte der Literaturpreis Ruhr. Als ein Mädchen in der ersten Reihe fragt, ab welchem Zeitpunkt Güzel das Schreiben zum Beruf habe machen wollen, sagt sie schlicht: "Als ich gemerkt habe, dass ich keinen anderen Beruf ausüben will." Das Abitur in Marxloh sei ihr letzter Abschluss gewesen, erzählt die 1972 Geborene. Ihr Philosophie- und Anglistik-Studium habe sie schnell schleifen lassen: "Ich war öfter in der Mensa als in den Vorlesungen", gibt Güzel zu. "Mir ist klar geworden, dass ich nur schreiben will - auch wenn ich nebenher putzen gehen muss, um Geld zu verdienen." Mit dieser Einstellung hat sie es geschafft: Seit vielen Jahren kann sie von ihren Büchern leben, die sie unter ihrem Label "Go-Güzel-Publishing" veröffentlicht.

Elisa Weiben (18) ist beeindruckt von Güzels Texten: "Sie verbreitet trotz düsterer Gedanken und melancholischer Einfärbung einen Optimismus. Das gefällt mir." Ihre Freundin Julia Braun (16) nickt: "Die Textpassagen geben Hoffnung und zeigen, dass man nicht alles so ernst nehmen sollte." Und noch eines nehmen die beiden mit: "Man kann alles erreichen, wenn man es nur will. Das hat sie vermittelt", sagt Elisa, zukünftige Comiczeichnerin?

(jma)
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