Unsere Woche Maulkorb für den Karneval?

Moers · Bei der Kritik an der Hoppeditz-Rede in der KG Humorica, geht es nicht darum, politisch unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Es geht um die karnevalistische Ehre!

Was darf Karneval? Frei nach Tucholsky möchte man antworten: "Alles." Ob indes Reiner Schmitz, seit fast 20 Jahren Hoppeditz in Diensten der Karnevalsgesellschaft Humorica, den deutschen Satiriker kennt, darf bezweifelt werden. Sonst hätte er zu seiner eigenen Rechtfertigung Sätze vorbringen können wie den: "Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt es übel." Oder den hier: "Wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (,Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!'), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein."

So weit, so Tucholsky. Auf den aber wird sich Herr Schmitz nie und nimmer berufen können. Weder waren die Ausführungen über die "Asylanten" witzig, noch waren sie ehrlich. Dass in Deutschland, ausgelöst durch die Einwanderungswelle, "an jeder Ecke" Gefahren lauern sollen, ist hanebüchener Blödsinn und wird auch mit Verweis auf karnevalsübliche Übertreibungen weder wahrer noch lustiger. Und wie man dazu kommt, dem Tod eines Menschen, der im übrigen keineswegs mit einem Messer auf Polizisten "eingedroschen" hatte, karnevalistische Seiten abzugewinnen, entzieht sich komplett meiner Vorstellungskraft. Da ist man schlichtweg fassungslos. Wahrscheinlich ging es dem Hoppeditz an dieser Stelle auch gar nicht darum, sein Publikum auf den 11..11, einzustimmen. Er wollte einfach mal so seine politische Botschaft rausrotzen. Und da muss sich dann "erschossen" auf "verdroschen" reimen. Ob das fremdenfeindlich ist oder nicht, spielt keine Rolle: Es ist einfach eine atemberaubende Niveau-Unterschreitung.

So weit so schlecht. Verständlich, dass ein Mann wie Amar Azzoug, den 2011 übrigens der damalige Redaktionsleiter der Rheinischen Post vorgeschlagen hatte, den Schlossorden der Humorica nun zurückgibt. Ob das politisch klug ist, ist eine andere Frage. Denn er erweckt den Anschein, als gäbe es eine ernsthafte politische Position, gegen die man mit ebenso ernsthaften Schritten ein Zeichen setzen müsste.

Das ist aber nicht der Punkt. Schmitz war in den beanstandeten Passagen weder geistreich noch witzig, sondern offen polemisch. Das ist eine karnevalistische Todsünde.

Und deshalb sollte die Humorica sich nicht nur distanzieren, sondern auch in karnevalistisch angemessener Form reagieren. Mit einem Wagen beim Nelkensamstagszug. Motiv: Der Hoppeditz mit beiden Beinen im Fettnäpfchen!

Ein schönes Wochenende juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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