Moers Meine Erinnerung an ein schönes Weihnachten

Moers · Weihnachten, die Zeit der Besinnlichkeit, der Familie, des Backens und der Geschenke. Vier Senioren erinnern sich an ihre schönsten Weihnachtserlebnisse.

 Theodor van Bösekom (90).

Theodor van Bösekom (90).

Foto: Dieker, Klaus

Theodor van Bösekom (90), ehemaliger Dienststellenleiter der Duisburger Reinigungsbetriebe und begeisterter Hobby-Drechsler:

"Mandarinen? Nein, die gab es damals bei uns noch nicht. Wir hatten Äpfel, Nüsse und Plätzchen auf unseren Weihnachtstellern. Selbst Apfelsinen waren etwas ganz Besonderes." Theodor van Bösekoms Familie stammte uns den Niederlanden, da wurde Weihnachten etwas anders gefeiert. Am Heiligabend schmückte man nur den Baum. Dabei durfte der kleine Theodor dem Vater die silbrig glänzenden Christbaumkugeln anreichen - eine große Ehre, ebenso wie die Hilfe beim Anbringen der Kerzen. Anschließend holte der Vater seine Geige, und alle sangen vor dem Baum Weihnachtslieder. Die Bescherung fand am nächsten Morgen statt. An das erste gemeinsame Fest nach dem Krieg erinnert sich Theodor van Bösekom ganz besonders. Vater und Brüder waren heil aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, nun wollte man wieder gemeinsam den Baum schmücken. Aber der Baum kippte um, die Kugeln flogen quer durchs Wohnzimmer und zerbrachen in tausend Stücke. Ist Weihnachten nach diesem Malheur dann ausgefallen? "Nein, natürlich nicht. Wir haben den Baum mit den kaputten Kugeln einfach wieder aufgestellt und wie üblich unsere Weihnachtslieder gesungen. Nur Mutter war traurig. Schließlich hatte sie den Weihnachtsschmuck all die Jahre durch die Kriegstage gerettet."

 Wolfgang Graf (75).

Wolfgang Graf (75).

Foto: Dieker, Klaus

Wolfgang Graf (75), früher Sanitär- und Heizungsmonteur und begeisterter Handballer in Oestrum.

Wolfgang Graf lebte als Kind mit seinen Eltern und drei Geschwistern in Kapellen. Der Vater war gerade aus dem Krieg heimgekehrt. Überall herrschte Mangel. "Als ich vier oder fünf war, konnten wir keinen Weihnachtsbaum bekommen. Da hat uns Vater einen aus einem Besenstiel gebastelt." Der Vater bohrte Löcher in den Stiel und steckte die Zweige hinein. Die Kerzen wurden entweder aus Resten gezogen oder aus Bienenwachsplatten gewickelt. Auch die Geschenke waren weitgehend selbst gemacht. "Ich wollte einen Hund haben. Das ging natürlich nicht. Wir waren vier Kinder Zuhause. Stattdessen hat mir mein Vater einen Wackeldackel aus Holz gebastelt. So einen, der bei jeder Bewegung mit dem Kopf wackelt." Nein, enttäuscht sei er darüber nicht gewesen. "Wir waren ja froh, wenn wir überhaupt etwas zu Weihnachten bekamen." Plätzchen gab es allerdings reichlich, natürlich von Mutter gebacken. Da haben die Kinder schon vorher am Teig genascht, obwohl das angeblich Bauchschmerzen verursachte. "Haben wir aber nie was von gemerkt", sagt er und lacht. "Das hat Mutter gesagt, weil die Plätzchen für die Weihnachtsteller bestimmt waren." Auf den Tellern waren auch Äpfel, die seit dem Herbst auf dem Schlafzimmerschrank gelegen hatten. "Sie waren schrumpelig, aber sehr lecker."

 Hildegard Seifert (85).

Hildegard Seifert (85).

Foto: Dieker, Klaus

Hildegard Seifert (85), früher Hausfrau und Mutter zweier Kinder, später ehrenamtliche Schöffin beim Gericht und sachkundige Bürgerin in Moers.

Hildegard Seifert ist ein Kriegskind. Eine Erinnerung ist, dass in ihrer Familie der Christbaumschmuck immer selber gemacht wurde: Strohsterne oder Laubsägefiguren wie Engel und Nikoläuse. Die wurden rot angemalt und zwischen das silbrige Lametta gehängt. Damals schon fand sie die im Advent angezündeten Kerzen viel schöner als die am Weihnachtsbaum. "Wir hatten früher viele Kerzen zu Hause." Das habe das Haus zu Weihnachten und im Advent immer sehr festlich aussehen lassen. Später, als sie dann schon verheiratet war, hat sie diese Familiengewohnheit fortgeführt. Das galt auch für das Backen von Weihnachtsplätzchen. "Ich habe noch und nöcher in der Adventszeit gebacken. Spritzgebäck und Weckmänner." Die Rezepte dazu hatte sie von ihrer Mutter, nur eines, das zu einer Tradition in ihrer eigenen Familie werden sollte, stammte von der Schwiegermutter. Es hieß "Berliner Brot" und war eigentlich ein flacher Blechkuchen aus Mehl, Nüssen, Zimt, Nelkengewürz und Kakao, der nach dem Backen in schmale Streifen oder Würfel geschnitten wurde. "Dazu musste der Kuchen noch ganz heiß sein", erklärt Hildegard Seifert. Außerdem war es wichtig, ihn in genau dem richtigen Moment aus dem Ofen zu holen, sonst wurde er ganz hart, und man biss sich daran die Zähne aus." Am Anfang habe sie den richtigen Zeitpunkt noch manchmal verpasst, aber später nicht mehr. "In dieser Zeit gab es bei uns keinen Weihnachtsteller ohne Berliner Brot."

 Helga Grafen (82).

Helga Grafen (82).

Foto: Dieker, Klaus

Helga Grafen (82), früher Hausfrau und Mutter zweier Kinder, hat immer gerne für sich und die Familie genäht.

Helga Grafen ist während des Krieges in Moers aufgewachsen. Ihre Eltern hatten ein Installationsgeschäft, das aber, da der Vater als Soldat an der Front und später in Kriegsgefangenschaft war, vom Großvater geführt wurde. Auch zu Weihnachten war der Vater selten zu Hause, so dass die Mutter für das Schmücken des Tannenbaums zuständig war. Später durfte ihr die kleine Helga dabei helfen. "Weihnachten ohne Baum gab es bei uns nie", erinnert sie sich. "Mein Großvater ging dafür immer mit dem Förster in den Wald. Und wir hatten auch immer Kerzen, obwohl man die im Krieg kaum kriegen konnte." Zu verdanken hatten sie das ihrer Tante. "Ich weiß nicht, wo die damals herkamen, aber meine Tante hatte immer irgendwie Wachsreste im Vorrat. Daraus haben wir mit Wollfäden neue Kerzen gegossen." Die schönsten seien aber stets die von ihrer Tante gewesen. Geschenke habe es kaum gegeben. Wenn, dann eher etwas Nützliches. Zum Beispiel Socken oder Schürzen, und wenn noch genug Wolle übrig war, vielleicht auch einen Schal. Umso beliebter waren die Weihnachtsteller. Die Mutter fing schon in der Adventszeit damit an, mit Hilfe ihres alten Fleischwolfes Spritzgebäck für die Teller herzustellen. Manchmal gab es auch noch Makronen aus Haferflocken, und natürlich Äpfel und Nüsse. Einmal hätten sie auf einen Bezugschein eine Apfelsine bekommen, erzählt Helga Grafen. "Für neun Personen, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen." Die Mutter hat die Apfelsine am Heiligabend geschält und gleichmäßig auf alle verteilt. "Das war eines der schönsten Weihnachtsgeschenke."

(lang)
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