Moers Menschenkette gegen Pflegenotstand

Moers · Der Mangel an Pflegekräften ist ein bundesweites Problem, mit dem auch die Einrichtungen in Moers zu kämpfen haben. Eine Demonstration rund um das Johannes-Rau-Haus sollte am Mittwoch darauf aufmerksam machen.

 Mit einer Menschenkette weisen Verdi, DGB, Awo und andere auf die schlechten Zustände in der Altenpflege hin.

Mit einer Menschenkette weisen Verdi, DGB, Awo und andere auf die schlechten Zustände in der Altenpflege hin.

Foto: Arnulf Stoffel

Annähernd 200 Patienten, Pflegekräfte und Politiker fassten sich gestern gemeinsam an den Händen und bildeten eine Menschenkette um das Johannes-Rau-Haus. Unter anderem demonstrierten DGB und Verdi, die SPD-Ortsvereine Kapellen und Moers, die Arbeiterwohlfahrt und die Mitarbeitervertretung des Krankenhaus Bethanien gegen den Pflegenotstand in Deutschland. "Die Beschäftigten haben die Nase voll, sie können nicht mehr", sagt Dagmar Acosta Navarro, Verdi-Gewerkschaftssekretärin. Hajo Schneider, SPD, fordert: "Die Politik muss vernünftige Personalpolitik betreiben und sich mit den Fachleuten in den Heimen unterhalten, statt bei Besuchen einen Kaffee zu trinken."

Der Notstand in den Heimen ist groß: "Schon seit vier Wochen haben wir eine Stelle ausgeschrieben, und keiner bewirbt sich", beklagt Abdelaziz Charafi, der Leiter des Johannes-Rau-Hauses. Das ist nur ein Beispiel für ein bundesweites Problem in den Pflegeeinrichtungen. "Mit einer schlechten Bezahlung und Schichtdienst kann man junge Menschen nicht mehr begeistern." Die Höhe des Gehalts sei für die Arbeitsbelastung nicht gerechtfertigt. "Nach der Ausbildung verdient eine unverheiratete Pflegefachkraft bei uns 2400 Euro brutto."

In dem Awo-Seniorenzentrum sind derzeit 86 pflegebedürftige Personen untergebracht. Laut dem gesetzlich festgelegten Personalschlüssel stehen dem Johannes-Rau-Haus für die Versorgung der Patienten 35 Stellen zur Verfügung. Doch diese Anzahl sei nicht ausreichend: "Eine Vollzeitkraft ist für zehn Personen zuständig, da wünschen wir uns mehr Arbeitskräfte, um eine umfassende Pflege gewährleisten zu können", sagt Abdelaziz Charafi.

Besonders prekär sei es in der Nachtschicht: "Wie sollen zwei Pflegekräfte 30 Patienten betreuen?", fragt Charafi. "Viele Patienten haben sogar Mitleid mit den Arbeitskräften und wollen sie nicht zusätzlich belasten."

Der Grund für den Pflegenotstand sei unter anderem der Mangel an Perspektivmöglichkeiten. Dabei gebe es diese, versichert Charafi. "Man kann sich von einer Pflegefachkraft zur Wohnbereichsleitung bis hin zur Heimleitung fortbilden." Damit stiege dann auch das Gehalt. Zudem sei der Pflegedienst ein krisensicherer Job, hier würden ununterbrochen Arbeitskräfte gesucht. "Außerdem ist die Bezahlung tariflich geregelt."

Im Seniorenstift des Krankenhauses Bethanien ist die Situation ähnlich. 80 Stellen in Voll- und Teilzeit sind hier für die Versorgung von 206 pflegebedürftigen Personen zuständig. "Die Intensität der Betreuung richtet sich nach dem Pflegegrad: Je höher der Grad, desto mehr Zeit wird berechnet", sagt Bethaniensprecher Dirk Ruder. Insgesamt seien auch dort mehr Stellen wünschenswert, der Arbeitsmarkt aber "leer gefegt". "Die Arbeitskräfte sind stark belastet, und wir versuchen, eine enge Bindung der Mitarbeiter zu erzielen, damit sie kein Interesse haben, uns zu verlassen."

Die Menschenkette von gestern Abend soll vor allem ein Appell an die Politik sein, sagt Abdelaziz Charafi: "Wir möchten sowohl unsere Bewohner als auch die Mitarbeiter schützen. Dafür muss die Arbeit aber richtig honoriert werden."

(jms)
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