Moers/Krefeld Mit dem Fahrrad an den Bosporus

Moers/Krefeld · Innerhalb von zwei Monaten will Thomas Brück nach Istanbul fahren – für sich und für einen guten Zweck. Die größte Herausforderung ist für ihn nicht technischer oder physischer Natur sondern die Einsamkeit auf Reisen.

Innerhalb von zwei Monaten will Thomas Brück nach Istanbul fahren — für sich und für einen guten Zweck. Die größte Herausforderung ist für ihn nicht technischer oder physischer Natur sondern die Einsamkeit auf Reisen.

Diese Radtour hat es in sich: Thomas Brück, 52 Jahre alt, fährt nach Istanbul — 4200 Kilometer durch Europa innerhalb von knapp zwei Monaten. Er ist gut vorbereitet, technisch und physisch, und radelt auch für einen guten Zweck — kritisch könnte nur ein Punkt sein: "Worum ich mir Sorgen mache, ist, zwei Monate allein zurechtzukommen. Man muss sich sehr darauf vorbereiten, dass man lange allein ist. Es ist auch eine Tour zu mir selbst." Deshalb hat er keinen Roman als Lesestoff eingepackt, sondern ein philosophisches Werk: "Ich brauche ein Buch, das mir Impulse gibt." Etwas zum Denken im Sattel.

Vor aller Fahr-Psychologie steht allerdings die Vorbereitung. Brück arbeitet als Sozialpädagoge, ist Fachmann für Dyskalkulie-Therapie. Er kümmert sich um Kinder, die Probleme mit dem Lesen von Zahlen haben (vergleichbar der Legasthenie). Hier ist auch der soziale Zweck seiner Reise angesiedelt: Wer mag, kann Brücks Fahrt kilometerweise mit Spenden sponsern; der Erlös kommt dem "Förderverein der Lernwerkstatt" des Psychologischen Dienstes zugute.

Welche Technik und welches Training braucht man, um eine 4200-Kilometer-Tour durchzuhalten?

Brück trainiert täglich quasi nebenbei. Er wohnt in Moers und fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit im Krefelder Behnisch-Haus; macht hin und zurück 50 Kilometer. Er ist also im Training. Auf dem Weg nach Istanbul will er täglich rund 100 Kilometer schaffen.

Sein Fahrrad hat er sich selbst zusammengebaut — die Teile aus dem Internet bestellt. So weiß er genau, wie wo welches Teil sitzt. Das Rad hat 27 Gänge — "ein paar Berggänge sind schon wichtig", sagt er. Wichtig waren Brück Öldruckbremsen: "Einmal sanft draufdrücken und man steht."

Sein geringstes Problem ist die Sorge vor dem berühmten Plattfuß. Das beste Mittel dagegen sei es, den Reifen stets ordentlich aufgepumpt zu halten, sagt Brück. Knallt man mit einem schlecht aufgepumpten Reifen gegen ein Hindernis, kommt es zu Abdrücken im Reifen, die sich gern zum Loch ausweiten. Brück glaubt nicht, dass er damit oft zu tun hat: Er hat einen Ersatzmantel und Flickzeug mit. Wie viel Gepäck nimmt man mit? Zunächst einmal sich selbst. Brück wiegt 84 Kilogramm und hat für die Tour sechs Kilogramm abgenommen. An Gepäck kommen noch 24 Kilogramm dazu: vier Packtaschen, eine Lenkertasche und drei Packsäcke. "Da ist mein Schlafzimmer drin", sagt Brück lächelnd. Er meint sein Zelt. Falls es mal regnet, hat er noch eine Schutzdecke dabei, die er über sein Lager spannen kann.

Zur Kleidung sagt Brück: "Wichtig ist es, Funktionswäsche zu tragen." Also Wäsche, die atmungsaktiv ist und Schweiß und Feuchtigkeit vom Körper nach außen transportiert. "Das Schlimmste ist, wenn es regnet und kalt ist, und man hat nicht die richtigen Klamotten an", sagt Brück. Zum Kochen hat er einen Benzinkocher mit — Benzin sei unterwegs einfacher zu besorgen als Gas. Hat er Angst vor dem Verkehr? Nicht mehr als sonst. "Man muss für die Autofahrer mitdenken und damit rechnen, dass sie einen nicht sehen", sagt er — das ist wohl immer die Maxime, egal wo er mit dem Rad unterwegs ist; man müsse halt "sehr aufmerksam sein und sehr defensiv fahren". Hat er Angst vor einem Überfall? "Passieren kann einem überall was; es gibt überall gute und böse Menschen"; und bisher sei er auf seinen Radreisen immer sehr freundlich aufgenommen worden. Der Rest der Vorbereitung passiert im Kopf und im Herzen. "Ich finde, Radreisen ist die schönste Art zu reisen", sagt Brück, "zu Fuß ist man zu langsam, mit dem Auto zu schnell — ich habe das Gefühl, da kommt die Seele nicht mit." Beim Radfahren hingegen könne man am Körper spüren, wie sich die Landschaften verändern. Radfahren hat zudem intensive meditative Seiten: "Das Tolle am Radfahren ist: Es gibt Phasen, in denen der Kopf leer ist; es gibt aber auch viele Phasen, in denen viele Gedanken kommen und ich vieles durchdenke."

Härteproben, so vermutet Brück beim Start, werden am Ende nicht technischer oder physischer Natur sein. "Was macht man, wenn man Frust kriegt und das Rad am liebsten in die Ecke schmeißen möchte?" Dann kommt ein Satz, der wie eine Lebensmaxime klingt: "Wichtig ist: Man muss die Strecke nicht vom Ende her denken, sondern von Tag zu Tag." Radfahren, zumindest wenn man 4200 Kilometer fährt, ist eben auch ein Gleichnis. Für den 6. Juni ist der Rückflug nach Deutschland geplant. Auch die längste Reise ist einmal zu Ende.

Auf einer Internetseite dokumentiert Thomas Brück seine Reise: thomas-brueck-projekte.jimdo.com

(RP)
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