Reiner Michalke Pfingsten: Jazzfans sind verunsichert

Moers · In gut vier Wochen startet das Moers Festival: Der künstlerische Leiter wirbt um das Vertrauen des Publikums. Der Ticketverkauf erholt sich. Nach der Meldung einer eventuellen Absage des Festivals war er schlagartig eingebrochen.

Moers Festival 2015: Die Bands in Aktion
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Foto: Dieker

Herr Michalke, beim Moers Festival hat es ganz schön gerappelt: drohende Insolvenz, Garantieerklärung der Stadt für das Festival 2016. Wie hat sich die Diskussion um die Zukunft des Moers Festivals auf den Ticketverkauf ausgewirkt?

Michalke Viel lieber würde ich Ihnen ja Fragen zum Programm des Festivals beantworten, aber ich verstehe, dass die Vorgänge auch andere Fragen aufwerfen. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass wir schon an allen Tagen ausverkauft sind. Der Verkauf des Early-Bird-Tickets im Dezember startete furios. Ja, und dann, mit der Schreckensmeldung einer eventuellen Absage des Festivals, brach der Kartenverkauf schlagartig ein. Und jetzt fangen wir ganz langsam an, uns wieder etwas zu erholen. Ob wir allerdings das Niveau der Vorjahre erreichen, kann ich noch nicht sagen. Aber wir haben ja noch gute vier Wochen bis zum Festivalbeginn.

Wie haben Besucher und Künstler auf die Lage reagiert?

Michalke Tatsächlich erhalten wir immer noch besorgte Anfragen, ob das Festival denn wirklich stattfindet. Andere fragen uns, was mit ihrem Geld passiert, wenn das Festival doch abgesagt wird. Es ist leider ein gewisses Misstrauen entstanden, wenn drei Monate vor dem Festival mit Absage gedroht wird. Vor allem im Ausland, sowohl beim Publikum als auch bei Musikern, hat sich die Meldung der eventuellen Absage des Festivals rasend schnell verbreitet. Die Entwarnung dagegen scheint irgendwo steckengeblieben zu sein.

Wie bereitet man eigentlich unter solchen Bedingungen ein Festival vor? Macht das noch Spaß?

Michalke Ganz ehrlich? Also wenn wir nicht so ein gutes Team hätten, das jetzt besonders in diesen Wochen sehr eng und vertrauensvoll zusammen gehalten hat, wäre es vielleicht nicht so gut ausgegangen. Jeder von uns hatte bestimmt Momente, an denen man kurz davor war, alles hinzuschmeißen. Schließlich ist das ja nicht die erste Krise, mit der wir umzugehen haben. Auch das dickste Fell nutzt sich irgendwann einmal ab. Am Ende sagt einem aber die Vernunft, dass wir dieses Festival ja nicht für uns machen, sondern für etwas größeres Ganzes. Das Festival ist sehr viel größer als die Personen, die es vertreten. Darin schließe ich sämtliche künstlerischen Leiter, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder und Bürgermeister ein, die das Festival in seiner langen Geschichte schon Kommen und Gehen gesehen hat. Aber es stimmt, es hat schon mehr Spaß gemacht, das Festival vorzubereiten.

Gibt es Ideen, die Einnahmeseite zu verbessern?

Michalke Ideen dazu gibt es eine ganze Menge. Seit Gründung der Moers Kultur GmbH gibt es kein tragfähiges Sponsoring-Konzept. Es ist zwar gelungen, den WDR wieder ins Festival zu holen, Arte und die Kunststiftung NRW, die ja unter anderem den Improviser in Residence ermöglicht, neu hinzuzugewinnen, das Engagement des Landes deutlich zu erhöhen und jetzt auf Initiative von Siggi Ehrmann und Kerstin Radomski den Bund zusätzlich ins Boot zu holen - aber das sind ja keine Sponsoren, sondern öffentliche Institutionen, die das Festival allein aufgrund seines Inhalts fördern. Ich würde es begrüßen, wenn wir auf unserer Habenseite wieder über mehr privates Engagement verfügen würden. Ebenso überfällig ist ein Nutzungskonzept für die Festivalhalle. Ich finde es schade, dass dieser Raum, der ja mit öffentlichen Mitteln hergestellt worden ist, von den Moersern nicht häufiger genutzt werden kann. Als künstlerischer Leiter habe ich aber nicht das Mandat, hier tätig zu werden.

Sie rühren zurzeit die Werbetrommel für das Festival. Bedurfte es viel Überzeugungskraft, Auswärtiges Amt und Goethe Institut mit seinen Gästen nach Moers zu locken?

Michalke Im Gegenteil. Das Auswärtige Amt ist auf uns zugekommen. Wir wussten zwar schon länger von der Idee, mit einer internationalen Besuchergruppe nach Moers zum Festival zu kommen, waren dann aber doch überrascht, wie schnell das ging. Glücklicherweise hatten wir noch ein ausreichendes Kontingent an Zimmern im Festivalhotel verfügbar. Das waren genau die 20 Zimmer, die wir mit den VIP-Tickets vermarkten wollten.

Sie haben mehrfach angedeutet, dass der neue Geschäftsführer zu vorsichtig gerechnet hat. Was ist Ihrer Meinung nach falsch gelaufen?

Michalke Ich sagte eben schon, dass mein Mandat als künstlerischer Leiter begrenzt ist. So hat mich der Aufsichtsrat erst kürzlich gebeten, den Dissens zwischen mir und dem neuen Geschäftsführer, was die Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Festivals und der Gesellschaft betrifft, nicht in die Öffentlichkeit zu tragen und mich auf Aussagen zum künstlerischen Bereich des Festivals zu beschränken. Auch wenn nicht ich es war, der das Festival mit öffentlichen Aussagen geschädigt hat, sondern im Gegenteil versuche, zu retten, was zu retten ist, habe ich in einem gewissen Maße Verständnis dafür. Und ich werde mich daran halten - zumindest solange das Festival keinen weiteren Schaden nimmt.

Die Stadt Moers wird Ende des Monats eine Sonderprüfung des Jahresabschlusses beschließen. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?

Michalke Auch hier bitte ich um Verständnis, wenn ich auf diese Frage keine umfängliche Antwort gebe. Ich kann Ihnen aber soviel sagen, dass ich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Moers Kultur GmbH seit über zehn Jahren bestens vertraut bin und seit über 30 Jahren selbst Geschäftsführer einer Firma bin, die es auch nicht immer leicht hatte. Zudem kann ich Bilanzen lesen und Rückstellungen von Rücklagen unterscheiden. Deshalb blicke ich, was das Moers Festival betrifft, sehr entspannt in die nahe und weitere Zukunft.

Sie haben bei der Programmvorstellung gesagt, das aktuelle Programm sei ihr bestes. Ist es auch das letzte? Haben Sie schon Informationen darüber, wie, ob und in welcher Form das Moers Festival eine Fortsetzung über 2016 hinaus haben kann?

Michalke Das muss ich etwas korrigieren: Ich habe gesagt, wenn dieses Festival nicht stattgefunden hätte, hätte ich behauptet, es wäre mein bestes Programm gewesen. Jetzt muss sich ja erst beweisen, dass es zumindest zu den besseren gehört. Ich fühle mich mit dem kommenden Programm aber tatsächlich sehr wohl. Vielleicht, weil es das jüngste Programm ist, das ich bisher zusammengestellt habe. Gleichzeitig werden auch sehr nachdenkliche Beiträge dabei sein, die diese jungen Musiker auf die Bühne bringen werden. Zu der weiteren Perspektive kann ich nur wiederholen, dass das Festival wirtschaftlich noch nie so gut aufgestellt war, wie jetzt, seit der Zusage des Bundes, das Festival für mindestens drei Jahre zu fördern.

(RP)
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