Moers Moers hilft traumatisierten Flüchtlingen

Moers · Im psycho-sozialen Zentrum der Awo versuchen drei junge Frauen, Flüchtlingen mit seelischen Problemen zu helfen.

 Die Ärztin Felicitas Neumann, die Psychologin Antonia Randolt und die Pädagogin Andrea Mierzwa in der Awo-Beratungsstelle.

Die Ärztin Felicitas Neumann, die Psychologin Antonia Randolt und die Pädagogin Andrea Mierzwa in der Awo-Beratungsstelle.

Foto: Awo

Juristisch ist der Zwischenfall am Moerser Bahnhof, bei dem ein 48-jähriger Flüchtling von zwei Polizisten erschossen wurde, zu den Akten gelegt. Der Staatsanwalt hat festgestellt, dass die jungen Beamten in Notwehr gehandelt hatten. Der 48-Jährige, der unter psychischen Problemen litt , war mit einem Messer auf sie losgegangen. Doch schon kurz nach der Tat meldete sich Amar Azzoug vom Bunten Tisch. Er wies darauf hin, dass in Moerser Unterkünften viele Flüchtlinge lebten, die an psychischen Erkrankungen litten, die nicht angemessen behandelt würden.

"Die meisten der Flüchtlinge leben schon seit über einem Jahr hier, aber jetzt erst treten bei vielen die Traumatisierungen zu Tage", sagt Andrea Mierzwa. Die Diplom-Pädagogin gehört zu einem Team von drei Frauen, die für die Awo in Moers Flüchtlinge mit psychischen Problemen betreuen. Mit der Pädagogin kümmern sich die Ärztin Felicitas Neumann und die Psychologin Antonia Randolt um Menschen mit Depressionen, Angstzuständen, Traumatisierungen und Drogenproblemen. Über Mangel an Patienten können sie nicht klagen: Das Moerser psycho-soziale Zentrum der Awo, das im Auftrag der Landesregierung arbeitet, ist zuständig für den gesamten linken Niederrhein: von Kleve im Norden bis zum Kreis Viersen im Süden.

Obwohl weniger neue Flüchtlinge kommen, steigt die Zahl der Patienten, die sich in der Moerser Anlaufstelle melden. "Wir erleben gegenwärtig einen regelrechten Ansturm", berichtet Mierzwa. Sie führt das darauf zurück, dass in den ersten Monaten der Ankunft die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse im Vordergrund gestanden habe. Doch nun machten sich in den Unterkünften psychische Störungen bemerkbar. "Da sind Leute, die hatten zu Hause eine eigene Firma und dürfen jetzt nicht arbeiten. Das alleine macht schon mürbe", stellt Psychologin Randolt fest.

Nach Einschätzung der Frauen ist die Häufigkeit psychischer Erkrankungen in den Herkunftsländern nicht höher als in Deutschland. Doch hinzu kommen Traumata durch Krieg und Flucht. Dabei werden die Betreuer oft mit grauenvollen Erlebnissen konfrontiert.

Fast genau so häufig aber verbergen die Patienten ihre Traumatisierung hinter einer Fassade: "Da wirkt einer zunächst ganz fröhlich und versichert, dass er keine Probleme habe, doch unter dem Tisch, da brodelt es", sagt Mierzwa. Das Team ist sicher, dass die Flüchtlinge, die an der Seminarstraße vorstellig werden, nur die Spitze eines Eisbergs darstellen. "In vielen Kulturen ist es wichtig, sich nach außen nichts anmerken zu lassen. So jemanden bekommt man kaum herausgefiltert", berichtet die Psychologin Randolt.

Bei ihrer Arbeit sind die Betreuer auf sprachkundige Helfer angewiesen. Die jedoch müssen sich darüber im klaren sein, dass auf sie möglicherweise selbst große psychische Belastungen zukommen. Denn die Dolmetscher, bei denen es sich im Regelfall um Laien handelt, werden ins Setting einbezogen. "Bei der therapeutischen Arbeit ist es unerlässlich, dass eine Beziehung zwischen Patient und Therapeut aufgebaut wird. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Übersetzer und Patient", betont Randolt.

Aufgrund der hohen Anforderungen fehlen geeignete Übersetzer. Zudem, so Randolt, stelle sich immer wieder die Frage, wer diese Arbeit finanziere. So wurde jüngst auf der Flüchtlingskonferenz des Bunten Tisches ein Fall bekannt, in dem ein junger Mann zwar zunächst in einer psychiatrischen Einrichtung aufgenommen wurde. Von dort schickten ihn die Ärzte aber wieder nach Hause, weil zwar die Behandlungs-, nicht aber die Übersetzungskosten von der Krankenkasse erstattet wurden. Ohne Verständigung aber ist keine Behandlung psychischer Erkrankungen möglich.

Die Folgen sind nicht nur für die Betroffenen gravierend, denn psychische Erkrankungen verhindern die Integration. Die Aussicht auf eine schnelle Behandlung ist aber selbst für anerkannte Asylbewerber, die regulär über eine deutsche Krankenversicherung versichert sind, sehr schlecht: Auch für einheimische Kassenpatienten betragen die Wartezeiten für eine Therapie mehrere Monate. Angesichts des bevorstehenden Familiennachzugs, der bei vielen Flüchtlingen ansteht, ist sich Mierzwa sicher: "Da kommt noch einiges auf uns zu."

(RP)
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