Moers Moerser hält Kontakt in die Ukraine

Moers · Bernd Bours, ehemals im Vorstand des Vereins "Erinnern für die Zukunft", pflegt die Bekanntschaft mit ehemaligen Zwangsarbeitern, die er vor Jahren in Moers kennengelernt hat. Sie führen ein Leben in Angst und Unsicherheit.

Ukraine: So sehen die pro-russischen Kämpfer aus
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Ihr 90. Geburtstag war für Galina Nikolajewna Martens aus Donezk kein Jubeltag. Die alte Dame lebt in Angst und Unsicherheit. Trotz eines Waffenstillstandes fallen in der Stadt täglich Schüsse. Vor einigen Wochen ist unweit ihrer Wohnung eine Bombe eingeschlagen.

Der Bahnhof ist zerstört, Wasser- und Stromleitungen funktionieren nur teilweise oder gar nicht. Seit drei Monaten hat die 90-Jährige keine Rente ausgezahlt bekommen. Zum Glück unterstützt sie der in Moskau lebende Sohn. Er besorgt ihr auch Medikamente, die sie dringend braucht.

Die Ukrainerin schüttete ihr Herz bei Bernd Bours aus, als dieser sie anrief, um ihr zu gratulieren. Der Moerser, bis Ende 2010 Vorstandsmitglied des Vereins "Erinnern für die Zukunft", hatte sie und andere ehemalige Zwangsarbeiter, die während des Krieges am Niederrhein waren, vor Jahren bei einer Begegnung in Moers kennegelernt. Zu einigen der damaligen Gäste hält er noch Kontakt. Tief bewegt ist Bours darüber, wie der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ins Leben der Menschen eingreift.

"Seit zwei Wochen gibt es kein Wasser, die Leitungen sind zerstört", schrieb Alexej Akimowitsch Lubenez aus Dimitrow (er arbeitete 1943 bis 1945 auf Schacht Mevissen in Rumeln) in einem Brief an Bours. "Vor wenigen Tagen erhielten wir Wasser, das mit einem Tankwagen herangebracht wird, bei täglich 30 Grad", schilderte der 88-Jährige.

Die zerstörten Häuser in der Ostukraine
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"Es ist schlimm, sich Bilder von weinenden Frauen und Kindern, und was sonst noch alles passiert, ansehen zu müssen. Es gibt keine Schutzräume. Die Menschen müssen sich in den Kellern verstecken. In der Stadt fehlen die Lebensmittel." Lubenez fügte dem Brief einen Zeitungsartikel bei. Das Blatt berichtete über Flüchtlinge aus anderen Städten, die zu Verwandten und Bekannten nach Dimitrow kamen. Das Zeitungsbild zeigt Flüchtlinge, die in Schulen untergebracht wurden.

Von Lidija Loiko aus Komsomolsk (ihr Vater war als 15-Jähriger während des Kriegs auf der Schachtanlage Dickscheheide in Neukirchen-Vluyn im Einsatz) erfuhr Bours, dass es dort zwar ruhig sei. Allerdings schießen die Lebenshaltungskosten in die Höhe, von Tag zu Tag sei das Geld weniger Wert. "Und das bei sehr geringem Einkommen beziehungsweise Rente", so Bours.

Auch Familie Mykola Wolodimirowitsch Gordiiko aus Poltawa (250 Kilometer südöstlich von Kiew) erzählte ihm von Geldproblemen: "Mykola Gordiiko arbeitet bei einer Finanzaufsichtsbehörde in Poltawa und hat vor wenigen Wochen erfahren, dass er dort nur noch vorübergehend und eventuell nur bis Weihnachten arbeiten kann. Der Lohn wird daher nur noch zu einem geringen Teil gezahlt. Seine Frau hat zurzeit noch eine Arbeitsstelle und der Sohn Mykola studiert in Breslau. Alles muss finanziert werden, bei sinkendem Einkommen und stetig steigender Inflation.

August 2014: Russischer Hilfskonvoi auf dem Weg in die Ukraine
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Bis vor wenigen Wochen betrug ihr monatliches Einkommen noch etwas mehr als 400 Euro." Um zu helfen, überwiesen Bours und sein Freund Waldemar Langolf (er übersetzt die Briefe und Telefonate) einen Geldbetrag an Familie Gordiiko. Per E-Mail teilte die Familie später mit, wie schwierig es war, an das Geld zu kommen. Bei mehr als zehn Banken habe sie nachfragen müssen, bis sie ein Geldinstitut fand, das die Summe auszahlen konnte.

Zusammen mit Waldemar Langolf besuchte Bernd Bours im August 2013 die Bekannten in Komsomolsk und Poltawa. Heute würde er eine solche Fahrt nicht mehr riskieren. Gerne würden Bours und seine Frau Ellen den ehemaligen Zwangsarbeitern Lebensmittelpakete schicken.

Aber ein sicherer Postversand sei wegen hoher Versicherungsgebühren sehr kostspielig. Und die billigeren privaten Versandfirmen, die das Ehepaar früher in Anspruch nahm, seien unzuverlässig geworden. Pakete sind mitunter monatelang unterwegs, ein Rollstuhl, den eine alte Dame in Sdolbunow bei Lwow (Lemberg) dringend benötigte, ging verloren. Bours: "Es ist offen, ob im Donezker Gebiet Lebensmittelpakete aus Deutschland derzeit den Empfänger überhaupt erreichen."

(RP)
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