Moers Moerserin pflegt die Stolpersteine

Moers · Ursula Handelmann-Michaelis poliert die in Moers verlegten Gedenktafeln. Sie sieht die Aufgabe als eine Aktion gegen das Vergessen. Die Erinnerung an die jüdischen Menschen, die in Moers wohnten, soll lebendig bleiben.

 79 Stolpersteine, entworfen von dem Kölner Künstler Gunter Bemnig, wurden in Moers bereits verlegt. Ursula Handelmann-Michaelis möchte die Erinnerung an die Menschen lebendig halten.

79 Stolpersteine, entworfen von dem Kölner Künstler Gunter Bemnig, wurden in Moers bereits verlegt. Ursula Handelmann-Michaelis möchte die Erinnerung an die Menschen lebendig halten.

Foto: Klaus Dieker

Sie ist ganz erfüllt von ihrer selbst gestellten Aufgabe. Ursula Handelmann-Michaelis hat eine beeindruckende Passion. Die 73-Jährige widmet sich nämlich auf eine ungewöhnliche Art den im Stadtgebiet verlegten Stolpersteinen. Die messingfarbenen und quadratisch geformten Gedenktafeln erinnern an die Opfer der NS-Zeit. Das Anliegen der engagierten Moerserin mit jüdischen Wurzeln ist es nun, die kleinen Kunstwerke zu warten, zu pflegen und zu polieren. "Ich sehe diese Aufgabe als eine Aktion gegen das Vergessen", so die Aktivistin. "Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier gewohnt, gelebt, gearbeitet und gebetet haben."

Mit ihrer Arbeit will sie erreichen, dass das auch so bleibt. Ausgestattet mit einer Bürste, einem Metallreinigungsmittel und einem Silberputztuch - verstaut in einem bunten Leinenbeutel - ist sie unterwegs und poliert die kleinen Quadrate, wo immer es nötig scheint. "Vor einigen Wochen war ich als Gast in Leipzig - selbst dort habe ich Gedenksteine poliert", erzählt Ursula Handelmann. "Es gibt auch immer wieder wunderbare Gespräche mit erstaunten Passanten, die sich für mein Tun interessieren", so die Moerserin. "Die Erinnerung an die einzelnen Schicksale soll die Vorbeigehenden ja gedanklich auch stolpern lassen - und so das Gedenken in das tägliche öffentliche Leben zurückholen." Es seien ja Persönlichkeiten gewesen, an die kein Grabstein auf einem Friedhof erinnere. Der Gedenkstein sei nun als Ersatz zu sehen. Ihr Vater war in Buchenwald interniert. "Er galt als Privilegierter, wurde im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet", erzählt sie. Seit 1945 aber ist er dort verschollen. Insgesamt zwölf Gedenksteine erinnern an den Familienverbund Michaelis.

"Eine Dokumentation in einem Magazin, die eine Straßenszene in Berlin zeigte, weckte mein Interesse", berichtet Handelmann. Zwei recht junge Freiwillige polieren sitzend Gedenksteine, die an die Holocaust-Opfer erinnern. "Diese beeindruckende Szene war für mich Vorbild und gleichzeitig der Beginn meiner Aktion." 79 Stolpersteine - entworfen von dem Kölner Künstler Gunter Bemnig - wurden bisher im Moerser Stadtgebiet verlegt. Die erste Anregung zur Verlegung von Stolpersteinen in Moers kam von Schülern des Gymnasiums in den Filder Benden. Das war im Jahr 2004.

Es folgten Erörterungen und Abwägungen, Argumente wurden ausgetauscht, positive ebenso wie negative. Herbe Kritik zum Beispiel kam von der mit Moers verbundenen Judaistin Edna Brocke, die das Konzept der Stolpersteine ablehnte, da sie "ihre Landsleute mit Füßen getreten sah." Trotz auch großer Zustimmung aber blieb die Diskussion zunächst ohne Ergebnis. Einige Jahre später aber nahmen die Vereine "Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Moers" und die "Erinnerung für die Zukunft" die Planung wieder auf. Und im Oktober 2011 stimmte auch der Moerser Rat dem Antrag mit großer Mehrheit zu. Die ersten elf Stolpersteine wurden dann im Februar 2013 verlegt.

(h-m)
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