Moers Nacht mit Geschichten aus 1001 Nacht

Moers · 14 Stunden lang wird von Freitag auf Samstag im Schlosstheater gelesen. Orientalische Märchen stehen auf dem Programm. Politiker und andere bekannte Moerser, aber auch viele Flüchtlinge lesen mit.

Kaffee und Tee werden bereitstehen, ebenso kuschlige Polster, in denen es sich entspannen lässt. Schließlich gilt es, eine ganze Nacht durchzustehen - nicht irgendeine, sondern "Die eine Nacht", wie das Projekt im Schlosstheater heißt. Von Freitagabend (22. April) bis Samstagmorgen wird in Zehn-Minuten-Häppchen aus den "Geschichten aus 1001 Nacht" vorgelesen. Insgesamt "101 Menschen" sollen sich beteiligen, kündigte das Schlosstheater an. "Wir werden tatsächlich ziemlich nah an diese Zahl kommen", sagte gestern die Dramaturgin Annika Stadler.

Das Schlosstheater sieht die Lesung als Beitrag zum Umgang mit der "Flüchtlingsproblematik". Es gehe eben nicht nur darum, Menschen als Problem zu sehen, sagte Stadler. Mit der Lesung - die Idee dazu sei aus den Reihen des Bunten Tisches gekommen - weise man auf den Schatz an Kulturen und Geschichten hin, für den Flüchtlinge auch stehen. Menschen aus arabischen Ländern, dem Iran, aber auch aus Russland, Bulgarien oder Rumänien werden sich an der Lesung beteiligen und in ihren Muttersprachen vortragen. "Das meiste ist aber auf Deutsch", sagte Georg Mellert, ebenfalls Dramaturg am Schlosstheater.

Das Schlosstheater-Ensemble, Politiker, der Bürgermeister, Dozenten der VHS, Vertreter von Kirchengemeinden und andere Moerser haben bereits zugesagt, einige Seiten zu lesen. Ein paar Vorleser werden noch gesucht. "Zwischen vier und sechs Uhr früh haben wir eine Lücke", sagte Mellert. Interessenten sollten eine Mail ans Theater richten (Mail an holger.runge@schlosstheater-moers.de). Meldet sich niemand mehr, werden andere eben zweimal ranmüssen.

Wer sich auf Ali Baba und die 40 Räuber, Sindbad den Seefahrer und andere vermeintliche Märchenfiguren aus 1001 Nacht freut, muss umdenken. "Das sind europäische Zutaten", sagte Mellert. Die Geschichten aus 1001 Nacht gingen auf alte mündliche Erzähltraditionen aus dem persischen und arabischen Raum zurück. Ein verbindliches Manuskript gebe es nicht, vielmehr eine Vielzahl von Ausgaben, in die in Europa dann auch andere orientalische Märchen eingeflochten wurden.

Das Schlosstheater stützt sich bei der "monströsen Marathonlesung" (so Stadler) auf eine im Verlag C.H. Beck erschienene Ausgabe in der Übersetzung von Claudia Ott. Komödiantisch, tragisch und oft sehr erotisch gehe es in den Geschichten. "Es geht um die ganz alltäglichen Fallstricke des Daseins", sagte Mellert, und Stadler ergänzte: "Das sind alles andere als Kindermärchen."

Die oft in sich verschachtelten Erzählungen sind in eine Rahmenhandlung eingebettet: Zwei Könige werden von ihren Frauen hintergangen. Daraufhin erfindet der eine, Schahriyar, eine ziemlich sichere Methode, sich vor weiteren solchen Erfahrungen zu schützen: Jeden Tag will er eine Frau heiraten und sie nach der Hochzeitsnacht sicherheitshalber töten. Die nicht nur schöne, sondern auch kluge und tapfere Scheherezade schlägt dem König aber ein Schnippchen: Sie erzählt ihm jede Nacht wunderbare Geschichten, lässt die Spannung wachsen und das Ende offen - von einem Cliffhanger würde man heute wohl sprechen. Der solcherart auf die Folter gespannte König verschiebt also die Hinrichtung, weil er die Fortsetzung der Geschichten hören will. Am Ende werden Schahriyar und Scheherezade ein glückliches Paar mit lauter kleinen Prinzen und Prinzessinnen.

In die Rahmengeschichte führen am Freitag nach einer Begrüßung (17.45 Uhr) unter anderem Bürgermeister Christoph Fleischhauer und die Bundestagsabgeordneten Siegmund Ehrmann, Ulle Schauws sowie Kerstin Radomski ein. Die eigentliche Lesung startet gegen 19 Uhr und endet am Samstag (übrigens der "Tag des Buches") um acht Uhr. Wer dann noch (oder wieder) da ist, kann an einem gemeinsamen Frühstück teilnehmen.

Schon 2009 hatte es im Schlosstheater eine nächtliche Lesung gegeben, damals aus Homers "Odyssee". Die Resonanz sei überwältigend gewesen, sagte Stadler. Die ganze Nacht über seien Zuhörer dagewesen, "in unterschiedlichen Erschöpfungsgraden". Auch diesmal gilt: "Der Eintritt ist frei, Kommen und Gehen ist erwünscht, trotz des knarzenden Schlossbodens."

(RP)
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