Moers Neue Chance für Städte-Partnerschaften

Moers · Bürgermeister Fleischhauer möchte Kontakt zu Sant Anna di Stazzema ausbauen. Dort gab es 1944 ein Massaker der SS.

 Bürgermeister Christoph Fleischhauer gedenkt im vergangenen Sommer in Sant Anna di Stazzema der Opfer des SS-Massakers vom 12. August 1944.

Bürgermeister Christoph Fleischhauer gedenkt im vergangenen Sommer in Sant Anna di Stazzema der Opfer des SS-Massakers vom 12. August 1944.

Foto: Stadt

Am vergangenen Wochenende hat eine Delegation Moerer Vereine, angeführt von Bürgermeister Christoph Fleischhauer, im brandenburgischen Seelow gemeinsam mit den Gastgebern den 25. Jahrestag der Städterpartnerschaft beider Kommunen gefeiert. Seit dem seinerzeit noch zu DDR-Zeiten ausgehandelten, in Moers politisch heftig umstrittenen Vertrag, hat es keine neue Städtepartnerschaft mehr gegeben. Doch jetzt könnte die Sache neuen Schwung erhalten.

Nachdem die CDU im Ältestenrat vorgeschlagen hatte, einen, wie auch immer gearteten Austausch zwischen Moers auf der einen sowie einer türkischen und einer niederländischen Stadt zu überprüfen, schob Bürgermeister Fleischhauer jetzt noch einen Vorschlag nach: "Für uns würde sich auch eine Partnerschaft mit Sant Anna di Stazzema anbieten", sagte Fleischhauer.

Die neuen Vorschläge knüpfen an eine schon Jahrzehnte zurückliegende Zeit an, als deutsche Kommunen vor allem in den 60er- und 70er-Jahren Anschluss zunächst an Europa und später an die Welt suchten und fanden . So war die französische Stadt Maison-Alfort im Südosten von Paris im Jahr 1966 die erste Gemeinde, mit der Moers eine enge Partnerschaft einging und auch bis heute aufrecht erhält. "1974 folgte dann mit Bapaume die nächste französische Stadt, 1980 eine Partnerschaft mit Knowsley in Großbritannien", berichtet Bernhard Schmidt, der Vorsitzende des Moerser Vereins "Erinnern für die Zukunft" und Autor des Buchs "Weltoffenes Moers".

Damals sei es bei Begründung der Partnerschaften insbesondere darum gegangen, eine Aussöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern zu erreichen. "Zunächst gab es natürlich viele Vorbehalte, und bei den Bürgern der Partnerstädte waren einige Widerstände zu überwinden. Ein Beispiel: Der Vater des damaligen Bürgermeisters von Bapaume war in einem Konzentrationslager umgekommen." Es habe demnach viel aufzuarbeiten und auch zu verzeihen gegeben. "Dennoch streckte er den Deutschen demonstrativ die Hand zur Versöhnung aus. Auch durch solche Gesten konnten sich schnell Freundschaften und intensiv gelebte Partnerschaften entwickeln", berichtet Schmidt.

Im Jahr 1987 folgte die Städtepartnerschaft mit dem israelischen Ramla, 1989 mit La Trinidad in Nicaragua. Beide Partnerschaften werden von den Bürgern der Grafenstadt heute noch liebevoll gepflegt. So gründeten sich im Laufe der Jahre sogar zwei Partnerschaftsvereine, die sich hingebungsvoll um den kulturellen und menschlichen Austausch zwischen den Kommunen kümmern. Der am Wochenende gefeierte Vertrag mit Seelow setzte eine schon lange vorher bestehende Freundschaft zwischen evangelischen Kirchengemeinden fort, die heute noch Bürger beider Kommunen miteinander verbindet. Doch danach kam nichts mehr.

Bernhard Schmidt hält daher die Überlegungen, neue Städtepartnerschaften abzuschließen, für zeitgemäß: "Die Vorschläge der CDU begrüße ich sehr. Allerdings muss man die entsprechend aktiven Unterstützer finden." Einen Favoriten hat der Buchautor ebenfalls: "Partnerschaften sind dort am wichtigsten, wo man ideologisch und religiös auf verschiedenen Sternen sitzt. Gerade auch aufgrund der Bevölkerungsstruktur in Moers stünde uns eine Partnerschaft mit einer türkischen oder generell einer Stadt aus der muslimischen Welt gut zu Gesicht."

Eine Partnerschaft mit der italienischen Gemeinde Sant Anna di Stazzema könne sich Schmidt aber ebenfalls genau so gut vorstellen. Mit ihr käme eine Kommune hinzu, mit der Moers vor allem über den SCI verbunden ist. Die Hilfsorganisation betreut in dem kleinen toskanischen Bergdorf eine Gedenkstätte für die Opfer eines Massakers der deutschen Waffen-SS. Die Deutschen hatten am 12. August 1944 im Zuge einer Racheaktion 560 Einwohner, meist Frauen und Kinder, auf dem Dorfplatz umgebracht und anschließend das Dorf niedergebrannt. Der SCI schickt seit einigen Jahren Jugendliche seiner Jugendwerkstatt nach Sant Anna. Die Friedenscamps finden im Rahmen des Programms "Jugend gestaltet Zukunft" des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) statt, die unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments stehen.

Fleischhauer, der bis auf La Trinidad bereits in allen Moerser Partnerstädten zu Gast war, hatte den italienischen Ort in diesem Jahr besucht und war beeindruckt wieder zurückgekommen: "Bis dahin hatte ich über diese Gedenkstätte nichts gewusst. Das ist ein geschichtsträchtiger Ort, zu dem wir über den SCI eine besondere Beziehung haben. Zudem ist das eine tolle Gegend, nicht weit von der Riviera."

Bei aller Begeisterung macht der Bürgermeister selbst allerdings bei allen möglichen neuen Freundschaftsbanden einen Einwand selbst geltend: "Eine formelle Partnerschaft kann es aufgrund der Haushaltssituation der Stadt leider in keinem Fall geben."

(RP)
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