Kreis Wesel Neuer Polizeichef setzt auf Digitalisierung

Kreis Wesel · Rüdiger Kunst stammt aus einer Polizistenfamilie. Er ist IT-Spezialist und Fachmann für die Bekämpfung von Schwerkriminalität.

 Wohnt am Linken, arbeitet am Rechten Niederrhein: Rüdiger Kunst, neuer Polizeichef in Wesel.

Wohnt am Linken, arbeitet am Rechten Niederrhein: Rüdiger Kunst, neuer Polizeichef in Wesel.

Foto: Christoph Reichwein

Ein Tschako liegt neben anderen polizeilichen Kopfbedeckungen in dem Regal über dem Schreibtisch von Rüdiger Kunst. Das gute Stück gehörte Kunsts Vater, der 40 Jahre lang Dorfpolizist in Alpen war und sich wohl nicht hat vorstellen können, dass sein Junior einmal ranghöchster Polizeibeamter im Kreis Wesel sein würde. Am 1. Juli hat der 57-Jährige als Leitender Polizeidirektor sein Büro im dritten Stock der Kreispolizeibehörde in Wesel bezogen. Jetzt, mit der Rückkehr aus dem Urlaub, startet er richtig durch.

Dabei ist die Vergangenheit nicht nur im Dienst-Regal gegenwärtig. "Unser Wohnzimmer war nur durch eine dünne Tür von der Wache getrennt. Wenn nachts jemand 110 angerufen hat, klingelte bei uns zu Hause das Telefon." Wollte der Vater selbst dienstlich telefonieren, hatte er jedes Gespräch sauber zu protokollieren - wegen der Kosten.

Die Erinnerung an solche Zeiten ist Kunst wichtig, wenn er an die Zukunft denkt. Immerhin gibt es noch Kollegen, die den Polizeidienst begonnen haben, als die Telefone noch Drehscheiben hatten. Sie alle gilt es durch Schulungen, fit für die Zukunft zu machen. Und die sieht Kunst vor allem in der Digitalisierung. Auf diesem Gebiet kennen sich nur wenige Polizisten in NRW so gut aus wie der Alpener.

Vor seiner Berufung in den Chefsessel nach Wesel war Kunst beim Landesamt für zentralpolizeiliche Dienste in Duisburg (LZPD) für den IT-Bereich zuständig. Dort hat er nicht nur die unendlichen Mühen einer Betriebssystem-Migration von Windows XP auf Windows 8 kennengelernt, sondern auch verfolgt , wie der technische Fortschritt auf diesem Gebiet die Polizeifachleute regelmäßig abgehängt hat.

Zu schnell sind die Innovationen, zu lange die Zeiten, die der Polizeiapparat mit seinen föderalen Strukturen von der Entwicklung einer Technik bis zur flächendeckenden Einführung in den Polizeialltag braucht, um Schritt zu halten mit den technischen Möglichkeiten der Gegenseite. Dennoch lässt Kunst keinen Zweifel daran, dass der Polizeibeamte der Zukunft von der Unfallaufnahme oder der Spurensicherung bis zur Sachbearbeitungeinen immer stärker digital geprägten Alltag vorfinden wird. "Zum Glück geht unser Nachwuchs ganz selbstverständlich damit um", sagt Kunst.

Im Gegensatz zu anderen Arbeitgebern muss sich die Polizei im Kreis Wesel keine Sorge um den Nachwuchs machen. In diesem Jahr haben sich aus dem Kreis 248 junge Leute für den Polizeidienst beworben. Damit liegt Wesel unter den Landratsbehörden landesweit auf Platz zwei und unter allen Polizeibehörden auf Platz acht. Aber Kunst ist auch ein Mann, der weiß, wie hart sein Beruf manchmal sein kann.

"Manchmal müssen wir unsere Leute ausquetschen wie eine Zitrone", sagt er selbst. Ein Erlebnis hat ihn persönlich stark geprägt: das Geiseldrama von Gladbeck 1988. Als Konsequenz aus der Tragödie mit zwei Toten wurden damals sechs Schwerpunktbehörden bei der Polizei geschaffen und die Spezialeinsatzkräfte (SEK) umstrukturiert. Kunst bekam damals die Gelegenheit, beim ständigen Stab im Präsidium Köln Pionierarbeit zu leisten. Aber als Niederrheiner weiß Kunst auch, dass die Anforderungen im ländlich geprägten Kreis Wesel anders sind als in einer Großstadt.

"Hier dauert es länger, bis Kollegen zur Unterstützung da sind", sagt er. "Wir haben hier zwar weniger Schwerkriminalität, aber mehr schwere Unfälle." Und auch das Behördenumfeld ist anders. "Bei 13 Kommunen im Kreis ist es wichtig, schon mal einen Kaffee mit der Feuerwehr getrunken zu haben und die Kollegen nicht erst beim Einsatz kennen zu lernen."

(RP)
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