Moers Nuhr, die Irren und ihr Empörungsprogramm

Moers · Kabarettist Dieter Nuhr war im Enni Sportpark in Rheinkamp zu Gast.

 Dieter Nuhr spricht am liebsten Klartext.

Dieter Nuhr spricht am liebsten Klartext.

Foto: Jutta Hasshoff-Nuhr

30 Jahre tourt Kabarettist Dieter Nuhr schon durch die Republik. Dafür gönnt er sich und seinem Publikum ein neues Programm. "Nuhr hier, nur heute". Der Enni Sportpark in Rheinkamp war knallevoll. Als Nuhr die Bühne betritt, herrscht noch leichter Andrang am Bierstand. "Es haben auch Leute das Programm schon nüchtern ertragen", so Nuhr, der sich allmählich einspricht, verbal aufwärmt. Er kommt als Minimalist und geht nach Stunden als Minimalist. Kein übergroßes Porträt schmückt die Bühne, keine Musik kündigt seinen Auftritt an. Er tänzelt ein wenig nach rechts, nach links, bedient sein Tablett und braucht lediglich ein Mikrofon.

Seine Frotzeleien in bekannt ironisch-zynischer Art richten sich zunächst gegen die aktuelle Echo-Diskussion, die Echorapper und die Rückgaben. "Die Hysterie setzt sich in Deutschland alle Wochen neue Ziele", stellt er fest, um dann das Thema "Chico, der Kampfhund" zu eröffnen. Dabei touchiert er anfänglich die Politik und ihre Vertreter wie AfD-Vertreterin Beatrix von Storch, der er nicht all ihre Defekte der Genetik anlasten möchte. Später soll es präziser mit Themen wie Sexismus, schalldichten Burkas und paranoiden immobilen Eltern, weil zu schwere Knochen, zugehen.

Schnell ist die Betriebstemperatur hochgefahren, das Publikum geht mit, klatscht, weil Nuhr mal wieder treffend kombiniert und formuliert. Offen spricht er aus, was sonst nur im kleinen Kreis gesagt wird. "Mehr Gelassenheit tut uns gut", so seine Arbeitsthese. Nicht jedes Unglück ist ein islamistischer Anschlag. Wo bleibt das Motiv? "Die sind einfach irre", so Nuhr mit Blick auf Münster. Deutsche entwickeln zunehmend Ängste vor falschen Dingen, erliegen ihrem Selbstmitleid und üben sich in Empörungsroutine. Aber wer ist schon zufrieden? Schließlich ermögliche das Netz, Smartphone und Co. bei allen Ereignissen direkt dabei zu sein. "Die Bilderflut ist ein hirnphysiologisches Problem. Die Bilder, die machen etwas mit unserer Birne. So ist die Welt nicht", so Nuhr. Verrückte gab es früher schon, aber die standen alleine der Theke und nuschelten in ihr Glas, der Wirt blieb ihr einziger Follower.

Einer solcher Typen ist heute Präsident in Amerika. Nuhr moniert die unangemessene Wut und Empörung. "Kompromisse sind das Wichtigste, weil wir nicht alleine sind auf der Welt, sondern im Zustand der Zivilisation leben." Nicht alles ist schlecht, vielleicht manches im Argen. "Die Welt ist kontinuierlich besser geworden", so seine Feststellung. Immerhin herrsche in Europa seit 70 Jahren Frieden, für viele ein komplettes Leben ohne Krieg. Sorgt dabei nicht die Globalisierung für mehr Sicherheit? Warum sollen in der EU die Handeltreibenden ihre Kundschaft erschießen?

Kritik hagelt es, der Rat, über die Welt mehr zu staunen, kommt an. "Wir haben das Staunen verlernt. Wer ist heute noch euphorisch", so s Nuhrs Fazit. Meckern sei das gängige Programm, wenn der Flieger sich zehn Minuten verspätet. "Wir fliegen. Ein Menschheitstraum!" Sein Tipp: Kleine Dinge Wert schätzen, dann klappt es auch wieder mit dem Glück und der Zufriedenheit.

(sabi)
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