Carolin Pook Paradiesisch viel Zeit für die Musik

Moers · Die Stadtmusikerin gibt am 16. Dezember ihr Abschiedskonzert. In Moers konnte die Geigerin ihre "Herzensprojekte" verwirklichen.

 Carolin Pook lebt und arbeitet normalerweise in den USA. Für ein Jahr kam sie als Botschafterin der improvisierten Musik nach Moers.

Carolin Pook lebt und arbeitet normalerweise in den USA. Für ein Jahr kam sie als Botschafterin der improvisierten Musik nach Moers.

Foto: Klaus Dieker

Frau Pook, Ihr Jahr als Improviser in Residence in Moers geht zu Ende. Woran werden Sie sich gerne erinnern, wenn Sie wieder in New York sind?

Carolin Pook Das Moers Festival war für mich etwas Besonderes. Reiner Michalke (ehemaliger Festivalleiter) hat damals gesagt: "Mach ein Projekt, das du schon immer mal machen wolltest". Das habe ich dann mit "Pezzettino 8", einer Musik für acht Geigen und Schlagzeugelementen aller Art, realisiert. Es war toll, so ein ungewöhnliches Projekt verwirklichen zu können. Ich werde mich sicher auch an die drei Sommerkonzerte im Garten der Residenz erinnern. Ich konnte Kollegen aus New York präsentieren und habe großen Zuspruch der Moerser erfahren. Die Atmosphäre war immer sehr schön. Ingrid Wocker, die ich beim ersten Hauskonzert kennengelernt hatte, bot sich sogar freiwillig an, den Garten für die Konzerte auf Vordermann zu bringen. Sie hat stundenlang gearbeitet.

Ist Ihnen so was öfters passiert?

Pook Ich habe viele hilfsbereite Moerser kennengelernt. Helmut Berns zum Beispiel kennt in der Stadt viele Leute. Ihn konnte ich alles fragen, er wusste immer Rat. Jens Franken hat mir geholfen, die Percussion-Instrumente für "Pezzettino 8" zu bauen. Und der Drummer von "Slik Tiger", Simon Dlugos, hat mir einfach ein Schlagzeug vorbeigebracht und aufgestellt. Mit der Band habe ich dann auch auf dem MoJazz-Festival gespielt. Ich habe übrigens in Moers wieder angefangen, Schlagzeug zu spielen. In New York stand in den letzten Jahren vor allem die Geige im Fokus. Es hat mir so sehr gefehlt, dass ich mir vorgenommen habe, zu Hause wieder häufiger zu Sessions zu gehen.

Könnten Sie sich vorstellen, Pezzettino 8 noch einmal aufzuführen?

Pook Es ist eines meiner Herzensprojekte und war in seiner Ausführung so komplex, dass es sicherlich Potenzial hat, noch einmal gespielt zu werden. Meistens finde ich aber das jeweils neue Projekt noch spannender und stürze mich lieber in die Umsetzung der neuen Idee.

Was hat Ihnen das Jahr als Improviser persönlich gebracht?

Pook Es war ein paradiesischer Zustand, so viel Zeit für meine Projekte zu haben. In New York lebe ich ganz anders und bin selten eine Woche lang nur zu Hause. Trotzdem arbeite ich parallel an meinen Projekten. Hier konnte ich mir auch mal zwei bis drei Tage Zeit lassen, bis ich so richtig kreativ wurde. Ich war das gar nicht gewöhnt und musste es auch erst aufs Neue lernen, wie ich meine Zeit verwenden möchte. So ist auch das Projekt "Zeitverwendung" entstanden, das ich mit Marissa Möller entwickelt habe. Es war der perfekte Abschluss des Jahres. Gleichzeitig habe ich einen neuen Arbeitsprozess für mich entdeckt, den ich auch in New York beibehalten möchte.

Inwiefern?

Pook Im künstlerischen Prozess sucht man oft viel zu lange nach der perfekten Idee. Wir haben beschlossen, gleich die erste Idee aufzugreifen. Das Entscheidende ist das, was man daraus macht. In New York habe ich wenig Zeit, verbringe aber viel Zeit damit, nach der perfekten Idee zu suchen. Das ist paradox.

Wie haben Sie Marissa Möller kennengelernt?

Pook Ich habe sie im Schlosstheater in Richard III. gesehen und war beeindruckt. Wir haben uns dann auf dem Moers Festival persönlich getroffen und spontan beschlossen, etwas zusammen zu machen. In Marissa Möller habe ich jemanden gefunden, dem ich künstlerisch auf Augenhöhe begegnen kann. Wir liegen in jeder Hinsicht auf einer Wellenlänge.

Als Stadtmusikerin gehörte es zu Ihrer Aufgabe, die improvisierte Musik in die Stadt hineinzutragen. Haben Sie alle Projekte verwirklichen können, die sich vorgenommen hatten?

Pook Ich hätte gerne ein Projekt an Schulen realisiert, das sich leider zerschlagen hat. Dafür werde ich jetzt zusammen mit Musikschülern im Alter von 13 Jahren aufwärts ein Moerser Pookestra auf die Bühne bringen. Darauf freue ich mich. Bei der Vorarbeit im Sommer habe ich eine wunderbare junge Geigerin kennengelernt, die ein großes Talent ist. Sie hatte vorher nie improvisiert, und jetzt ist sie begeistert dabei, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Bei meinem letzten Hauskonzert sind wir gemeinsam aufgetreten. Wenn ich hier dauerhaft leben würde, würde ich sie auf jeden Fall unterrichten.

Wie haben Sie denn das Moerser Publikum erlebt?

Pook Es ist sehr offen und interessiert, aber auch kritisch. Ich habe sehr viele persönliche Rückmeldungen bekommen. Mir ist aufgefallen, dass bei meinen Konzerten immer ein anderes Publikum dabei war. Ich habe aber auch viele Leute spontan eingeladen, zu meinen Konzerten zu kommen. Darunter waren auch Markthändler und Taxifahrer. Zwei haben es wirklich gemacht.

Als Sie nach Moers kamen, war Reiner Michalke noch künstlerischer Leiter des Moers Festivals. Jetzt ist es Tim Isfort. Haben Sie die Diskussion um das Festival verfolgt?

Pook Ich habe das meiste - wie sonst auch alle - zunächst in der Zeitung gelesen. Ich war überzeugt, dass das Festival weitergehen würde. So etwas kann man nicht einfach stoppen. Tim Isfort habe ich Pfingsten kennengelernt.

Sie geben Ihr Abschlusskonzert am 16. Dezember im Bollwerk 107. Auf was darf sich das Publikum freuen?

Pook Auf eine Suite für Moers. Die Musik entsteht gerade in meinem Kopf. Ich habe Marissa Möller und das Pookestra eingeladen.

Und wann geht es nach Hause?

Pook Ich fliege am 30. Dezember nach New York. Silvester habe ich schon die nächsten Auftritte. Wir treten im Verlaufe des Abends an fünf verschiedenen Orten auf.

ANJA KATZKE FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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