Moers Pfarrer erklärt Muslimen das Christsein

Moers · Mitglieder der Ditib-Moschee Meerbeck haben gestern die evangelische Stadtkirche besucht.

 Pfarrer Wolfgang Döring (links) sprach mit den Gästen des Interkulturellen Netzwerks 55 plus und der Ditib-Moschee Meerbeck (mit rotem Schlips: Imam Ridvan Göçem).

Pfarrer Wolfgang Döring (links) sprach mit den Gästen des Interkulturellen Netzwerks 55 plus und der Ditib-Moschee Meerbeck (mit rotem Schlips: Imam Ridvan Göçem).

Foto: Pogo

In stürmischen Zeiten haben Männer und Frauen der Türkisch-Islamischen Gemeinde Moers gestern die Stadtkirche besucht. Ihr Dachverband Ditib steht in der Kritik: Vorbeter (Imame) werden verdächtigt, Handlanger und Spitzel der türkischen Regierung zu sein. "Wir sind nicht wegen der negativen Schlagzeilen hier, um unseren Ruf aufzubessern", betonte jedoch Ramis Savun, Vorsitzender der Moschee an der Römerstraße in Meerbeck. Der Besuch der Gäste, zu denen auch Imam Ridvan Göçem zählte, sei schon länger geplant gewesen. Ziel war es, sich über die Kirche zu informieren und sich darüber auszutauschen, was den Islam und das (evangelische) Christentum trennt oder auch vereint.

Von einem "Zeichen der Offenheit und guten Nachbarschaft" sprach Wolfram Reutlinger, Koordinator des Interkulturellen Netzwerks 55 plus Meerbeck. Das Netzwerk hatte den Besuch organisiert. Der Islam und die reformierte Kirche hätten einiges gemeinsam, sagte Reutlinger. "Zum Beispiel das Bilderverbot. Das kennt man schon aus dem Judentum. Das hat Mohammed nicht erfunden." Das große Fensterbild Jesu in der Stadtkirche sei in der Tat eine bemerkenswerte Ausnahme, bestätigte Pfarrer Wolfgang Döring. Auch deshalb, weil es Jesus nicht gekreuzigt oder in dem Himmel aufgefahren zeigt. "Das ist der irdische Jesus, wie er gelebt, erzählt, geheilt hat." Bis vor einige Jahrzehnten seien nicht nur Bilder, sondern sogar Kerzen in der Kirche tabu gewesen, berichtete Döring. "Allein das Wort zählte. Nichts sollte vom Beten ablenken."

Döring erzählte über die Geschichte der Stadtkirche, über die Organisation der Gemeinde ("Das Presbyterium legt alles fest, dort habe ich nur eine Stimme unter vielen"), die kirchlichen Hierarchien ("Bei der Landeskirche ist Schluss"), die Bedeutung des Abendmahlstisches ("Er ist nichts Heiliges") und das früher komplizierte Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten. Als die Stadtkirche 1890 ihren Turm bekam, sei er bewusst einen Meter höher gebaut worden als der benachbarte Turm der katholischen St.-Josef-Kirche. "So hat man damals gedacht." Und Döring berichtete, welche große Irritation es für viele Gemeinde dargestellt habe, als vor 50, 60 Jahren die ersten Pfarrerinnen auftauchten. Und auch das interessierte die muslimischen Gäste: Was kommt nach dem Tod? Die Bibel halte sich in diesem Punkt sehr zurück, sagte Döring, und auch er habe keine ganz genaue Vorstellung davon. "Aber irgendwie werden wir bei Gott sein - dann werden wir es wissen."

Mit Interesse hörten die Gäste, dass in der Stadtkirche bereits Gottesdienste mit Flüchtlingen muslimischen Glaubens gefeiert wurden. Das Miteinander mit den christlichen Gemeinden werde auch in der Meerbecker Moschee gepflegt, betonte Ramis Savun. "Ohne die Unterstützung der benachbarten Gemeinden hätten wir unsere Moschee gar nicht bauen können." Sowohl christliche als auch islamische Feste seien bereits gemeinsam gefeiert worden. Bei der guten Nachbarschaft solle es auch bleiben. Bevor das Treffen bei "protestantischem Kaffee" und "muslimischen Spezialitäten" ausklang, betonte Ramis Savun gegenüber unserer Redaktion, dass in der Meerbecker Moschee weder "spioniert" noch für die Politik Erdogans geworben werde. "So einen Auftrag gab es nicht", sagte er. Und sein Stellvertreter Halil Duyar versicherte: "Wenn unser Imam sich so verhalten würde, dann würden wir als Vorstand einschreiten."

Dass die Polizei Wohnungen von Ditib-Imamen in Nordrhein-Westfalen durchsucht hat, stieß bei Savun auf Unverständnis: "Wie konnte es dazu kommen? Die Bundesstaatsanwaltschaft hatte doch vorher gesagt, dass keine konkreten Indizien vorlagen." Die Forderung, dass Imame nur noch in deutscher Sprache predigen sollten, begrüßte Savun grundsätzlich. Allerdings fehlten entsprechend geschulte Vorbeter. "Die deutsche Regierung hat die Ausbildung in diesem Bereich in den vergangenen Jahren vernachlässigt."

(RP)
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