Moers Plattentausch weckt schöne Erinnerungen

Moers · Die Börse Diggin' Vinyl ist für 500 Plattenliebhaber auch ein Ausflug in eine andere Zeit.

 Kistenweise wurden im Bollwerk 107 am Wochenende Schallplatten angeboten - von Richard Wagner bis Simon and Garfunkel.

Kistenweise wurden im Bollwerk 107 am Wochenende Schallplatten angeboten - von Richard Wagner bis Simon and Garfunkel.

Foto: Klaus Dieker

Robert Große liebt die Entschleunigung und das bedeutet für ihn: Vinylscheiben auf einen Plattenspieler zu legen. "Ich nehme mir Zeit für Musik in einer Zeit, in der man überall mit Musik zugeballert wird", sagt der 30-jährige Kölner. "Ich lasse die Scheibe aus der Hülle gleiten, bürste sie ab, lege sie auf, setze die Nadel auf und genieße die Musik. Sie knistert und verströmt eine analoge Wärme." Da er ein Freund der Schallplatte ist, hatte der Veranstaltungsmanager vor zweieinhalb Jahren die Idee, eine Schallplattenbörse zu organisieren. So lud er im September 2013 zur ersten Diggin' Vinyl in die Abenteuerhalle im Kölner Stadtteil Kalk ein. Seitdem suchen Sammler dort zweimal im Jahr schwarzes Plattengold. Seit Herbst 2015 gibt es einen Ableger im Moerser Bollwerk, der ebenfalls zweimal im Jahr stattfindet. Am Sonntag fanden 500 Fans bei der zweiten Börse Scheiben, um ihre Sammlungen zu erweitern. "Am besten geht Metal", sagt Kurt Siegfried in der Halle des Bollwerks. Er verkauft auf fünf Metern Vinylscheiben, von der Walküre von Richard Wagner bis zu "Smoke over troubled water" von "Simon and Garfunkel". Dabei legt er den Schwerpunkt auf Rock, Pop und Metal aus den 70er Jahren. "Die meisten Platten stammen aus meiner privaten Sammlung", berichtet er. "Ich habe früher unheimlich viele Platten gekauft." Jetzt gibt er sie ab. "Meine Kinder interessieren sich nicht für Schallplatten", sagt der 59-Jährige. "Bevor sie sie an die Straße stellen, verkaufe ich sie."

Für die meisten Platten will er zwischen fünf und zehn Euro haben. Hitparadenmitschnitte sind darunter, die an einigen der 20 Stände für weniger als einen Euro zu haben sind. Manche schwarzen Scheiben haben deutlich höhere Preise. "Ein Platte von Can habe ich für 125 Euro abgegeben", erzählt ein Händler. Schließlich ist die Scheibe "Monster Movie", die 1969 erschien, eine Rarität. Denn die Kölner Band Can, die von 1968 bis 1978 zusammenspielte, steht für eine avantgardistische Musik, die zwischen Free Jazz und Psychedelic Rock liegt. Diese war damals zu modern, um oft auf Schallplatten nachgefragt zu werden. Das sieht heute anders aus. "Besonderheiten und Fehlpressungen haben einen hohen Wert", berichtet Robert Große. "Dabei liegt Vinyl im Trend. Seit 2007 steigen die Vinylverkäufe. Hipster lieben die Scheiben wie die Älteren, die sie aus ihrer Jugend kennen."

Selbst wenn die Verkaufszahlen in den vergangenen zehn Jahren leicht gestiegen sind, sind neue Vinylscheiben ein Nischenprodukt. "Eine Schallplatte zu pressen, kostet etwa fünf Euro", erzählt der Veranstalter. "Eine CD kann fast jeder auf seinem Computer brennen - für weniger als einen Euro. Es gibt in Europa nur noch vier Unternehmen, die Vinylscheiben pressen. Sie haben Wartezeiten von vier und mehr Monaten, bis ein Platte in Produktion geht."

Dabei steht bei ihm nicht der Preis einer Vinylscheibe im Vordergrund, sondern die Entschleunigung und der Hörgenuss. Deshalb hatte er zu Diggin' Vinyl auch die Bands Ben Hermaninski und Safetyville eingeladen, die im Café des Bollwerks spielten.

Die nächste Börse Diggin' Vinyl findet am 18. September im Bollwerk 107 am Moerser Bahnhof statt.

(got)
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