Urteil in Moers Polizisten hatten laut Richter die Nase voll von Betrunkenem

Moers · Zwei Polizisten setzen einen Betrunkenen kilometerweit von seiner Wohnung entfernt auf der Straße aus. Wenig später wird der Mann von einem Auto erfasst und stirbt. Ein Gericht verurteilte die Beamten jetzt zu sechs Monaten Haft auf Bewährung.

Die Angeklagten mit ihren Anwälten im Gerichtssaal.

Die Angeklagten mit ihren Anwälten im Gerichtssaal.

Foto: Dieker

Am Ende gab es für das Gericht keinen Zweifel: Wegen fahrlässiger Tötung hat die Auswärtige Große Strafkammer des Landgerichts Kleve am Dienstag in Moers zwei Polizisten aus Wesel und Dinslaken zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr auf Bewährung plus jeweils 2500 Euro Geldstrafe gefordert, die Verteidigung Freispruch. Einer der Anwälte kündigte noch im Gerichtssaal an, Revision einlegen zu wollen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Beamten einen schwer alkoholkranken Mann am Abend des 29. Dezembers 2015 entgegen den Dienstanweisungen nicht nach Hause gebracht, sondern fast acht Kilometer von seinem Wohnort entfernt am südlichen Stadtrand von Moers abgesetzt hatten. Dort war das Opfer beim Versuch, Autos anzuhalten, auf der B57 von einem Wagen erfasst und getötet worden. Beide Polizisten bestritten die Tat am letzten Tag der Hauptverhandlung. Während der Beweisaufnahme hatten sie geschwiegen.

Polizisten sollten Betrunkenen nach Hause bringen

Wie der Kammervorsitzende Johannes Huismann im Moerser Gerichtssaal ausführte, habe das Gericht durch die Beweisaufnahme "die sichere Überzeugung gewonnen", dass der 33-jährige Christoph W. aus Wesel und der 30-jährige Pascal K. zum Unfalltod des 48-jährigen Michael S. beigetragen hätten.

Im Laufe des 29. Dezembers waren die beiden Polizeibeamten mehrfach ins Krankenhaus Bethanien gerufen worden, weil dort der alkoholkranke und schwer betrunkene Michael S. nach einer Behandlung randaliert hatte. S. war trotz eines Platzverweises immer wieder ins Krankenhaus zurückgekehrt. Schließlich hatten die Beamten den inzwischen eingenässten und vollgekoteten Mann mit auf die Wache genommen und dort geduscht. Ein Arzt empfahl jedoch nach einer Untersuchung auf der Wache, S. wieder freizulassen, da er akute Entzugssymptome bei dem Alkoholkranken befürchtete. Statt nach Hause zu gehen, hatte S. sich jedoch in ein Bett des gegenüberliegenden St.-Josef-Krankenhauses gelegt. Wieder wurden die beiden Beamten losgeschickt. Nach telefonischer Rücksprache entschied die Wachdienstleiterin um 20.11 Uhr, dass die beiden S. nach Hause, an die Repelener Straße im Norden von Moers, bringen sollten. Den Vollzug meldeten die Beamten um 20.20 Uhr.

Richter: Angeklagten hatten "einfach die Nase voll" von S.

Vergeblich hatte die Verteidigung versucht, glaubhaft zu machen, dass es S., der keinen Wagen besaß, gelungen sein könnte, alleine an dem Abend nach Schwafheim zu gelangen, wo er um 20.48 Uhr zu Tode kam. Das, so der Vorsitzende in der Urteilsbegründung, sei jedoch "schlichtweg ausgeschlossen".

S. sei zwischen 20.20 und 20.30 Uhr in Schwafheim vor dem Unfall von Zeugen gesehen worden, als er "verzweifelt" versucht habe, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Zudem habe eine Auswertung des Polizeifunks in der Unfallnacht ergeben, dass der Streifenwagen zeitweise in Schwafheim unterwegs gewesen sei. Dort hätten auch zwei Zeugen einen Polizeiwagen bemerkt. Einen anderen Einsatz habe es in jener Nacht aber nicht gegeben. Huismann warf den Polizisten eine "bewusste Pflichtverletzung" vor. Zwar sei S. nicht hilflos, aber erkennbar alkoholisiert und desorientiert gewesen. Als Motiv vermutet der Richter, dass die beiden Angeklagten angesichts des nahen Dienstendes um 21.30 Uhr "einfach die Nase voll gehabt" hätten.

Nach dem Urteil trösteten zahlreiche Kollegen vor dem Gerichtssaal die beiden Angeklagten.

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