Moers Postkarten: Idylle, Dokument, Fälschung

Moers · Der Grafschafter Museums- und Geschichtsverein hat eine Serie von historischen Postkarten herausgebracht.

Das Jahr 1909 war für die Geschichte der Luftfahrt im Allgemeinen und die der Stadt Moers im Besonderen ein bedeutsames Jahr. Daselbst zeigte sich nämlich über dem Moerser Kastellplatz ein Wunder der modernen Technik: der Zeppelin Z III. Zumindest muss man das glauben, wenn man eine Postkarte betrachtet, die jetzt der Grafschafter Museums- und Geschichtsverein in Moers im Rahmen einer Serie von historischen Postkarten neu herausgebracht hat.

Allerdings stimmen an der Geschichte zwei Dinge nicht: Der Z III wurde erst drei Jahre später in Betrieb genommen. Tatsächlich ist auf der Karte der Z I zu sehen, der die Produktionsnummer LZ3 trug. Tatsächlich hatte sich dieser, damals in Metz stationierte Zeppelin, der als erster seiner Serie größere Strecken in der Luft zurücklegen konnte, im September 1909 auf den Weg an den Niederrhein gemacht. Tatsächlich machte er in Düsseldorf Station auf dem Golzheimer Feld, wo später ganz in der Nähe der Flughafen Düsseldorf entstehen sollte. "Über Moers ist der Zeppelin aber nie geflogen", sagt Wilfried Scholten vom Geschichtsverein. "Aufgrund widriger Windverhältnisse musste er in Duisburg abdrehen. Während in Krefeld die Glocken läuteten und in Moers die Menschen auf den Dächern standen, ist er dann in Essen gelandet."

Die Postkartenmacher hat das aber nicht davon abgehalten ihre Fotomontage unters Volk zu bringen. Denn in Moers war man seinerzeit notfalls auch stolz auf das, was man nicht hatte, aber vielleicht hätte haben können. Jedenfalls kann der Geschichtsverein auf eine Vielzahl von Motiven zurückgreifen, die seine beiden Mitglieder, Mark Kniffka und Gregor Boese gesammelt haben.

In der ersten Serie, die jetzt in Moerser Buchhandlungen zu erhalten sind, belegen die zehn Motiven vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, dass Postkarten nicht bloß malerische Stadtansichten zeigten, sondern auch festhielt, worauf die Menschen in der Region damals stolz waren. So zeigt eine der Ansichtskarten die damals nagelneue Zeche Schacht V. "Anders als die rechtsrheinischen Zechen standen die Moerser Schachtanlagen teilweise Besuchergruppen zur Besichtigung offen", berichtet Scholten. Diese ließen sich auch gleich die benachbarte Mustersiedlung vorführen, die ebenfalls auf Postkarten wiederzufinden ist.

Einige der Motive laden geradezu zum Spazierengehen auf den Bildern ein. So zeigt eine Szene vom Altmarkt nicht nur das Markttreiben von damals. Wer genau hinsieht entdeckt, dass die Moerser sich zum Einkaufen offenbar in Schale warfen. Spannend auch die Geschichte einzelner Gebäude: So etwa das "Alte Brauhaus" in der Neustraße, das damals auf einer gemalten Karte als "Restaurant Stadt Crefeld" firmierte. Zuvor hatte sich dort allerdings tatsächlich die Gambrinus-Brauerei befunden.

Nach der Veröffentlichung des historischen Kalenders 2015 "Mörser Ansichten" setzt der Verein einen weiteren Schwerpunkt auf die Moerser Zeitachse zwischen 1900 bis 1920. Die Postkarten sind im Set oder einzeln in den Moerser Buchhandlungen sowie verschiedenen Einzelhändlern erhältlich.

Jürgen Stock

(RP)
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