Die Schätze Im Moerser Schloss (3) Römisches Glasservice als Grabbeigabe

Moers · Archäologen machten im Frühjahr 2009 einen für Moers spektakulären Fund: Sie entdeckten bei Grabungen in Asberg sechs reich ausgestattete Brandbestattungen. Es waren die Gräber von vermutlich zwei Männern, drei Frauen und einem Kind.

 Das Glasservice hat seinen Platz in der Dauerausstellung des Grafschafter Museums gefunden. Es steht für den spektakulärsten Fund, den Archäologen bei Grabungen im Asciburgium 2009 gemacht hatten.

Das Glasservice hat seinen Platz in der Dauerausstellung des Grafschafter Museums gefunden. Es steht für den spektakulärsten Fund, den Archäologen bei Grabungen im Asciburgium 2009 gemacht hatten.

Foto: Klaus Dieker

Frühjahr 2009. Es ist ein verregneter Freitag. Die Archäologen der Außenstelle Xanten beim Amt für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland erwarten eigentlich, keine weiteren Gräber zu finden. Trotzdem ziehen Bagger Suchschnitte in den Randbereichen des südlichen Gräberfelds des Römerlagers Asciburgium im Moerser Stadtteil Asberg. Doch dann machen die Männer und Frauen einen für Moers spektakulären Fund.

Die Archäologen entdecken zuerst zwei reich mit Beigaben ausgestattete Gräber - fundreicher als in Moers bislang bekannt. Bald stellen sie fest, dass diese Gräber zu einer Gruppe von sechs Brandbestattungen aus der Regierungszeit Neros gehören - gänzlich unberührt und unentdeckt von Raubgräbern. Den Archäologen muss das Herz aufgegangen sein. Besonders im westlichen der Gräber befindet sich eine Fülle von gut erhaltenen Glasbeigaben - darunter ein 16-teiliges beinahe komplett erhaltenes und wunderschönes Glasservice aus dem ersten Jahrhundert. Es ist heute in der Dauerausstellung des Grafschafter Museums zu sehen.

Römer am Niederrhein gab es seit etwa Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus. Auf ihren Eroberungszügen drangen sie unter Julius Caesar an den Niederrhein vor. Das bedeutendste römische Erbe auf Moerser Stadtgebiet ist das Römerlager Asciburgium. Es wurde um 16/15 v. Chr. zunächst als befestigtes Zeltlager, später dann als Hilfskastell für 500 Reiter als Teil der Grenzbefestigung des niedergermanischen Limes auf der linken Rheinseite errichtet. Das Lager bestand 100 Jahre und wurde um 90 n. Chr. wieder aufgegeben. Der Hafen, ein alter Rheinarm, war verlandet. Das Lagerdorf bestand noch bis ins 4. Jahrhundert weiter. Die 16 Gläser aus einem der Gräber bildeten ein Service aus vier kleinen und großen Näpfen, vier Henkelschälchen und vier Tellern. Sie sind frei geblasen und bestehen aus hellblauem Glas - wobei die vier Henkelschälchen eine eher grünliche Farbe haben.

Nur ein Teller passt, so stellten die Archäologen fest, nicht so richtig ins Ensemble. Sie vermuteten, dass die Besitzer einen zu Bruch gegangenen Teller durch einen anderen ersetzt hatten. "Ein einziges vergleichbares Glasinventar ist aus einem Tumulus in Vervoz, Belgien, bekannt, wo sich vier Teller, vier große und vier kleine Näpfe fanden, die dem Grabfund in Moers entsprechen", schrieb Archäologin Dr. Marion Brüggler 2009 in einem Beitrag für "Archäologie im Rheinland". Für die Forscher begann an jenem Freitag 2009 ein Wettlauf mit der Zeit: Sie fürchteten, dass Raubgräber am Wochenende die bedeutenden Funde stehlen würden. Also musste alles geborgen und dokumentiert werden. Auch in den anderen fünf Gräbern wurden sie fündig: ein Glastrinkhorn, 54 gläserne Spielsteine (24 schwarze, 29 weiße und ein blau-weißer), Eierschalen Terra-Nigra, zwei Spiegel, bronzebeschlagene Kästchen und vieles, vieles mehr tauchten auf.

Aufgrund der kostbaren Grabbeigaben wurde vermutet, dass am Fundort sechs wohlhabende Personen bestattet wurden, die miteinander in Beziehung standen, vielleicht sogar verwandt waren. Anthropologische Untersuchungen ergaben, dass es sich um zwei Männer von 32 und 29 Jahren, zwei Frauen zwischen 33 und 37 Jahren und ein fünf bis sechs Jahre alte Kind handelte. Das Geschlecht der sechsten Person blieb unbestimmt, weil nur wenige menschliche Überreste zu finden waren. Da im Grab ein Spiegel gefunden wurde, geht man davon aus, dass es sich um eine Frau handelte. Vermutlich waren die Bestatteten zur gleichen Zeit gestorben - ungeklärt blieb aber, woran und warum.

Dr. Tilmann Bechert, Archäologe und langjähriger Grabungsleiter in Asberg, warf eine Theorie auf: der Bataveraufstand. Sie anerkannten die römische Herrschaft in Niedergermanen nicht mehr. Im Spätherbst des Jahres 69 n. Chr., so schreiben die Historiker, fielen Truppen des Iulius Civilis in Asciburgium ein. Sie belagerten das Lager und zerstörten es teilweise. Die römischen Truppen aber schlugen die Bataver in die Flucht. Archäologin Dr. Marion Brüggler referiert am 10. September, 19.30 Uhr, über die spektakulären Ausgrabungsfunde. Ort: Grafschafter Museum im Moerser Schloss.

(RP)
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