Moers Schüler erinnern an das Ende des Krieges

Moers · Eine Mitmachaktion auf dem Altmarkt steht nächsten Donnerstag am Anfang einer Veranstaltungsreihe. Bis Mai geht es in Vorträgen und Führungen um Krieg und Flüchtlingselend damals und heute. Verein "Erinnern für die Zukunft" wird 20.

 Amerikanische Soldaten am Denkmal des Preußenkönigs Friedrich I. auf dem Moerser Neumarkt.

Amerikanische Soldaten am Denkmal des Preußenkönigs Friedrich I. auf dem Moerser Neumarkt.

Foto: Stadtarchiv

Am 4. März 1945 hatten die Luftschutzbunker in Moers ausgedient. Die Nazi-Führung war über den Rhein geflohen, US-Truppen rückten in die Stadt ein, der Krieg war für die Grafenstadt vorbei. Was haben die Moerser damals empfunden, was genau ist in den Tagen davor und danach passiert? Und wie ergeht es heute Menschen, die in Kriegsgebieten leben oder von dort flüchten? Solchen Fragen ist eine Aktion auf dem Altmarkt am Donnerstag nächster Woche (10 bis 16 Uhr) gewidmet. Amnesty International ist ebenso vertreten wie der Bunte Tisch oder das Evangelische Kirchenforum. Im Zentrum steht aber ein Beitrag von Schülern der Anne-Frank-Gesamtschule. Sie haben eine kleine Ausstellung über das Kriegsende in Moers und Deutschland zusammengestellt und wollen mithilfe eines Albums die Moerser zum Mitmachen animieren. Fotos aus den Tagen um den 3. März 1945, die die Schüler bei Recherchen in Archiven gefunden haben, kleben in dem Album, es enthält aber auch viele freie Seiten, auf die Passanten ihre Gedanken und Kommentare aufschreiben dürfen.

"Jeder denkende Mensch darf sich eintragen", sagt Lehrerin Sandra Schilling-Punge, die zusammen mit ihren Schülern die Aktion vorbereitet hat. Sie wissen, dass auch Einträge wie "Das war doch gar nicht so schlimm" erfolgen könnten und nehmen dies bewusst hin. "Auch das sind Schriftquellen, mit denen man sich auseinandersetzen muss", sagt die Pädagogin. Das Album werde später in der Bücherei ausgelegt und anschließend der NS-Dokumentationsstelle Moers zur Verfügung gestellt.

Die Jugendlichen haben zum Beispiel Fotos jubelnder Menschen ausgesucht. Aber auch das furchtbare Bild einer am Boden liegenden, vergewaltigten Frau ist zu sehen. "Solche Szenen kennt man sonst nur aus Filmen. Aber das ist wirklich geschehen. Das ist in meiner Sprache: krass", sagt Heider-Salam Abbas, einer der beteiligten Gesamtschüler. Der 17-Jährige ist in Moers geboren, seine Mutter musste als Kind mit ihrer Familie aus dem Iran fliehen, ihr Weg führte über den Irak nach Deutschland. Flucht - auch das gehört zum Krieg. Deshalb wird am Donnerstag auch ein Bogen in die Gegenwart geschlagen, in der erneut Menschen in aller Welt aus Angst vor Gewalt und Verfolgung ihre Heimat verlassen.

Die Aktion auf dem Altmarkt ist Teil einer Reihe rund um das Thema Kriegsende. Sie führt den alten Wunschtraum der Pazifisten - "Nie wieder Krieg!" - im Titel, der aber hier statt mit einem Ausrufezeichen mit gleich drei Fragezeichen versehen ist. Die Reihe beginnt am Dienstag um 16 Uhr mit der Eröffnung der Wanderausstellung "Widerstand und Demokratischer Neubeginn" im Julius-Stursberg-Gymnasium Neukirchen-Vluyn. Bis Mai (am 8. Mai war der Krieg in ganz Deutschland beendet) wird es in Moers Veranstaltungen geben. Eine Auswahl: Bernhard Schmidt, Vorsitzender des Vereins "Erinnern für die Zukunft", erinnert am 11. März bei einem VHS-Vortrag an das Kriegsende und den Neubeginn im Altkreis, das Junge Schlosstheater führt am 16. März "Im Westen nichts Neues" auf, ab 14. April wird eine Ausstellung mit Feldpostkarten im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum gezeigt.

Die Organisation der Reihe liegt federführend beim Verein "Erinnern für die Zukunft". Er feiert am 23. März, 19 Uhr, im Martinstift seinen 20. Geburtstag. Redner ist Prof. Dr. Jochen Hippler, Politikwissenschaftler und Friedensforscher an der Uni Duisburg-Essen. Sein Thema: Krieg, Vertreibung und Flucht nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. "Er spricht über 50 Kriege und 45 Millionen Vertriebene", nimmt Bernhard Schmidt vorweg.

(RP)
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