Moers Schüler spielen Kommunalpolitik

Moers · Wie bringt man eine darbende ländliche Gemeinde nach vorne? Beim Planspiel "Entscheidung im Stadtrat" der Konrad-Adenauer-Stiftung sind Oberstufenschüler der Hermann-Runge-Gesamtschule in die Rollen von Politikern geschlüpft.

 Bürgermeister Torben Hindrichsen von den Grünen (hinten Mitte) leitet die Ratssitzung. Neben ihm seine Stellvertreter Bastian Böhm (FDP, links) und Justin Nowakowski. Im Hintergrund Moderator Robert Hein.

Bürgermeister Torben Hindrichsen von den Grünen (hinten Mitte) leitet die Ratssitzung. Neben ihm seine Stellvertreter Bastian Böhm (FDP, links) und Justin Nowakowski. Im Hintergrund Moderator Robert Hein.

Foto: KLaus Dieker

In den Fraktionen rauchen die Köpfe. Es gilt, Anträge für eine Ratssitzung vorzubereiten. Soll Wattenburg dem Klimabündnis der europäischen Städte beitreten? Was tun mit der maroden örtlichen Grundschule? Und das Freibad, das Unmengen von Geld verschlingt? Soll sich die kleine Gemeinde den teueren Luxus überhaupt leisten, wo es doch im Nachbarort Wattental ein schönes, modernes Bad gibt?

Beim Planspiel "Entscheidung im Stadtrat" werden Schüler der Hermann-Runge-Gesamtschule zu Entscheidungsträgern der fiktiven Gemeinde Wattenburg - 5600 Einwohner, überaltert, hoch verschuldet. Die Jugendlichen bilden Parteien und Fraktionen, setzen sich mit dem kommunalen Haushalt auseinander, vertreten in einer Ratssitzung ihre Standpunkte. Zwischendurch gilt es, der neugierigen Presse Rede und Antwort zu stehen und vor der (i-Pad-)Kamera Interviews zu geben. Die Rollen der kritischen Journalisten werden ebenfalls von Schülern übernommen.

Das Planspiel der Konrad-Adenauer-Stiftung wird im Rahmen des Fachs Sozialwissenschaften gespielt. Teilnehmer sind Mädchen und Jungen der Jahrgänge elf und zwölf. Moderator ist der Kommunikationsfachmann, Persönlichkeitstrainer und Berater Robert Hein. Er hat die Schüler schon ein paar Tage vorher besucht, sie auf das Spiel eingestimmt, mit der Kommunalverfassung und anderen rechtlichen Aspekten vertraut gemacht. "Wir wollen den Schülern Politik näherbringen", sagt er. Und Lehrer Marcus Kruhs meint: "Kommunale Entscheidungen lassen sich auf diese Weise besser vermitteln als im normalen Sowi-Unterricht."

Robert Hein hat vor zwei Jahren selbst als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde in Baden-Württemberg kandidiert, bei den Wahlen aber den Kürzeren gezogen. Der Hermann-Runge-Schüler Torben Hindrichsen hat im Planspiel mehr Erfolg: Er wird Erster Bürger Wattenburgs. Im Planspiel ist Hinrichsen Mitglied der Grünen und von Beruf Windradkonstrukteur. Die Zuordnung von Berufen und Parteien ist auch sonst etwas klischeehaft, so gibt es eine Malermeisterin mit SPD- oder auch den Inhaber einer Werbeagentur mit CDU-Parteibuch. Die Kandidaten und ihre Parteien konnten sich in einem Wahlkampf profilieren. Da ging es um die Ansiedlung von Unternehmen, um Arbeitsplätze, um ein attraktiveres Wattenburg. Die einen stellten ein Kino für die Jugend in Aussicht, andere wollten mehr für die vielen Senioren tun. "Im Wahlkampf muss man sehr darauf achten, was der Bürger hören will. Das ist gar nicht so leicht", befindet Torben.

Während die anderen in benachbarten Räumen in ihren Fraktionssitzungen sitzen, darf Hindrichsen die Einladungen für die Ratssitzung unterzeichnen und zustellen. "Und vielleicht machst Du Dir mal Gedanken, wann Du endlich die anderen einlädst. Ein Jahr nach der Wahl hast Du noch immer keinen ausgegeben", meint Hein. Zwischen Wahl und Ratssitzung sind im Planspiel zwölf Monate vergangen. Der Moderator stimmt die Jugendlichen auf ihre Rollen ein: "Manche Politiker haben Probleme: Im Wahlkampf haben sie etwas versprochen, was sie nicht halten können. Aber die Realitäten sind inzwischen anders."

Hein empfiehlt den Schülern, pardon: Politikern, ihre Anträge genau zu formulieren. "Nicht: Wir wollen ein Kino, sondern: Wie groß soll es sein, was soll es kosten, was gehört dazu? Erst wenn die Details feststehen, kann man darüber diskutieren, etwas verteidigen, ablehnen oder Kompromisse schließen." Und die Fraktionen müssen sich ihre Argumente genau überlegen. Die Grünen werden sich später dafür aussprechen, die örtliche Schule für zwei Millionen Euro ökologisch zu sanieren. Die CDU wird den Abriss beantragen; die immer weniger werdenden Wattenburger Schüler könnten die Schule im benachbarten Wattental besuchen. Was tatsächlich beschlossen wird, ist in diesem Fall egal. "Das ist ergebnisoffen, es gibt kein richtig oder falsch", sagt Hein. Das ist im echten Leben natürlich anders. Oder auch nicht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort