John-Dennis Renken "Selbst in New York ist Moers bekannt"

Moers · Der Improviser fühlt sich in Moers herzlich aufgenommen. Heute Abend lädt er mit Konzert aus der "unARTig"-Reihe zur Hauseinweihung ein.

Herr Renken, seit Anfang Januar sind Sie offiziell Improviser in Residence. Haben Sie sich denn schon ein Bild von Moers machen können?

Renken Das fängt jetzt an. Carmen Weist, die Aufsichtsratsvorsitzende der Moers Kultur GmbH, hat mich zu einer Rundfahrt eingeladen, damit ich die Stadt kennenlerne. Diese Einladung nehme ich sehr gerne an. Ich kenne zwar die Innenstadt, habe aber noch kein Bild von den Stadtteilen wie zum Beispiel Meerbeck, wo ich im März ein Konzert geben werde. Ich freue mich schon auf die Geschichten, die sie zu erzählen hat.

Lassen Sie sich denn von solchen Stadtgeschichten auch für Ihre Musik inspirieren?

Renken Ja klar. Ich schaue zum Beispiel gezielt nach besonderen Orten und habe mir bereits vorgenommen, ein paar Projekte im Freien zu realisieren. Ich finde den Schlosspark und die Kulturinsel richtig klasse. Die Insel habe ich übrigens vor neun Jahren zusammen mit Angelika Niescier eingeweiht. Sie war die erste Moerser Stadtmusikerin, und das Konzert war einfach grandios. Ich liebe die Natur und Parks. Es ist schön, sich dort hinzusetzen und einfach Musik zu hören. Ich bin in Norddeutschland "am Deich" aufgewachsen, und hinter unserem Haus war viel Grün und eine Pferdewiese.

Ihr Vorvorgänger Hayden Chisholm hat im Sommer zur Fete de la Musique in den Schlosspark eingeladen. Schwebt Ihnen etwas Ähnliches vor?

Renken Ich möchte gerne mit Elektroniker Martin Juhls etwas im Park zusammen machen. Ich interessiere mich für elektronische Musik und für elektronische Effekte. Martin Juhls gibt den Sound meiner Trompete in seinen Laptop ein und schafft mit den elektronischen Effekten und meiner Musik einen ganz neuen Zusammenhang.

Trompete und elektronische Musik?

Renken Ja. Nachdem ich jahrelang mit Live-Elektronik gespielt und herumprobiert habe, habe ich ein Setup gefunden, welches gut zu meiner Spielweise und meinem Sound passt und diesen noch erweitert. Das ist echt schön.

Haben Sie sich inzwischen schon weitere Projekte überlegt, die Sie in Ihrer Zeit als Stadtmusiker in Moers realisieren möchten?

Renken Das Wunderbare ist, dass die Moerser von ganz allein auf mich zukommen. Beim Empfang des Bürgermeisters bin ich von vielen angesprochen worden, die gerne ein Projekt oder ein Konzert mit mir realisieren wollen. Auch im Festivalbüro laufen ständig neue Anfragen auf. Es ist schon beeindruckend, wie groß das Interesse der Moerser ist. Überhaupt ist mir die warmherzige Atmosphäre aufgefallen, mit der ich in Moers aufgenommen wurde. Beim Übergangskonzert, das ja glücklicherweise zustande kam, waren die Leute so herzlich. Es ist in den vergangenen zehn Jahren sehr viel dafür getan worden, dass der Improviser heute eine feste Institution ist.

Wer ist denn so mit Projektanfragen auf Sie zugekommen?

Renken Die Anfragen kamen aus unterschiedlichen Richtungen. Es haben Schulbands gefragt, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Ich bin bei den inklusiven Improvisationstheatertagen dabei, und der Verein Jazz-Aktiv hat mich eingeladen, einfach bei den Sessions im Bollwerk 107 vorbeizuschauen. Ich bin zum Beispiel aber auch zu kirchlichen Gesprächsrunden eingeladen.

Als Musiker sind Sie international unterwegs. Ist es nicht auch ein bisschen so, als käme man als Improviser in die deutsche Provinz?

Renken Ganz im Gegenteil. Ich nehme Moers nicht als Provinz wahr. Das Moers Festival hat eine besondere Strahlkraft. Wenn Sie sich zum Beispiel in New York mit Musikern in einem Café treffen, kennt dort jeder das Moers Festival. Die Stadt ist für ihr Festival in der Welt bekannt. Und die Festivalmacher haben in der Vergangenheit viel Qualität auf die Bühne gebracht. Es ist schön und wichtig, dass diese Veranstaltung weitergehen kann. Die Stadt Moers hätte einen Teil ihrer Identität verloren. Naja, als Kunstschaffender nimmt man halt eine andere Perspektive als Politiker ein.

Auf dem Moers Festival sind Sie ja schon mehrfach aufgetreten.

Renken Ich habe dreimal in Folge mit dem Ruhrgebietsorchester "The Dorf" auf dem Moers Festival gespielt. Außerdem war ich bei einer der Nebenreihen in der Kulturkneipe "Die Röhre" der Kurator.

Werden Sie sich denn bei Angelika Niescier revanchieren und Sie als Gast nach Moers einladen?

Renken Ja, es ist ein Projekt in Planung. Angelika Niescier und mich verbindet eine lange Freundschaft. Wir spielen oft zusammen. Und ja: Trompete und Saxofon funktionieren sehr gut miteinander. Als sie mich damals einlud, nach Moers zu kommen, war ich gerade mit dem Studium fertig und aus New York zurückgekehrt. Ich war total beeindruckt, dass man ihr ein eigenes Haus mit Flügel (!) zur Verfügung gestellt hatte. So etwas wünscht man sich als Musiker. Es ist wie ein Rückzugsort, wie eine Insel in der Stadt. Hier kann ich all das ausprobieren, wozu sonst über das Jahr die Zeit fehlt. Ich wollte zum Beispiel schon lange ein Programm für Solo-Trompete erarbeiten. Das werde ich hier beginnen. Ich möchte außerdem viele Kollegen einladen. Die Residenz in Moers ist wie ein großer Versuchsbaustein. Ich werde jetzt Ideen fürs Jahr entwickeln. Die Einladung nach Moers kam ja sehr spontan: Tim Isfort hatte mich erst im Dezember angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Stadtmusiker in Moers zu werden. Da fehlen ein paar Monate Vorbereitungszeit. Aber es wird sich alles fügen.

Wann ist Ihr nächstes Konzert?

Renken Am heutigen Freitag. Ich habe Schlagzeuger Christian Thomé zum zweiten Konzert in meiner monatlichen Reihe "unARTig" in die Residenz eingeladen. Wir haben zusammen ein Duo erarbeitet. Thomé ist ein herausragender Schlagzeuger. Außerdem kommt Slam-Poet Markim Pause, der aus eigenen Texten vortragen wird. Und die sind so lustig, dass ich oft vor lauter Lachen gar nicht spielen kann. Markim Pause moderiert noch am selben Abend den Poetry Slam im Bollwerk 107. Das Konzert findet statt um 18 Uhr in der Residenz an der kleinen Allee 10. Im Anschluss ans Konzert findet eine kleine Einweihungsparty statt.

ANJA KATZKE FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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