Moers So finden Behinderte den Weg in den Job

Moers · Sie sind bundesweit Vorreiter: Die Caritas-Behindertenwerkstatt entwickelt Bildungsrahmenpläne für die Ausbildung.

 Auch das klassische Feilen findet sich im Bildungsrahmenplan wieder, und muss in den Caritas-Werkstätten geübt werden.

Auch das klassische Feilen findet sich im Bildungsrahmenplan wieder, und muss in den Caritas-Werkstätten geübt werden.

Foto: Harald Westbeld / Caritas

Was passiert eigentlich so in der "Teppich-Etage" und warum sollte man darauf hören, was dort beschlossen und verkündet wird? Das sind wichtige Fragen, die Marcus Westrup seinen Schülern in kleinen Schritten mit lebenspraktischen Beispielen und Humor erklärt. Was sich jeder Berufsschüler im Schnelldurchgang aneignen muss, erfordert im Berufsbildungsbereich der Caritas Wohn- und Werkstätten Niederrhein (CWWN) etwas mehr Zeit und Geduld. Auch wenn es keine Ausbildung ist, sondern eine Qualifizierung auf einfacherem Niveau, ist damit ein wichtiger Schritt zur geforderten Inklusion getan. Die Beschäftigen haben deutlich bessere Karten, falls eine Vermittlung auf einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz ansteht. Und sie sind für höherwertige Tätigkeiten in der Werkstatt gerüstet, heißt es bei der CWWN.

Für eine Palette von Ausbildungsberufen hat sich Yvonne Evers die Bildungsrahmenpläne aus der freien Wirtschaft vorgenommen und sie mit ihren Kollegen in der Werkstatt an die Bedingungen für Menschen mit Behinderungen angepasst. Die jungen Erwachsenen können sich qualifizieren zum Buchbinder oder Gärtner, sich in der Hauswirtschaft weiterbilden oder zum Metallbauer (Konstruktionstechnik) mehr lernen. Die Inhalte sind gegenüber den Ausbildungsplänen auf dem ersten Arbeitsmarkt reduziert. Für die einzelnen Schritte braucht es teilweise Abbildungen und Piktogramme statt textlicher Beschreibungen.

Natürlich fehlt nicht der praktische Teil und in der Ausbildung zum Tischler das klassische Bild des Feilens. Schließlich muss gelernt werden, in welchem Winkel sie angesetzt und mit wieviel Druck eingesetzt werden muss. Das zeigt Marcus Westrup nach dem theoretischen Teil in der Holztechnik in einer anderen Ecke des großen Werkraums.

Die CWWN sind bundesweit Vorreiter im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BAG WfBM). In der Region Niederrhein haben sich dazu fünf Werkstätten zusammengetan im Netzwerk Berufliche Inklusion Niederrhein (BIN). Der Aufwand ist enorm, und Yvonne Evers deswegen froh, "dass wir das Rad nicht immer neu erfinden müssen". Über 100 Module sind in den Plänen hinterlegt, die durchaus mal über 70 Seiten umfassen. Aber der organisatorische Aufbau einer Firma oder Regeln zur Arbeitssicherheit können vielfach verwandt werden.

Acht Bildungsrahmenpläne liegen inzwischen vor, an der Qualifizierung zum Koch wird gerade gearbeitet. Es sind Arbeitsfelder, die auch in den Behindertenwerkstätten angeboten werden. Das Bild vom klassischen Zählen und Verpacken von Schrauben passt da schon lange nicht mehr.

Komplexe Aufträge werden abgewickelt und die Beschäftigten entsprechend ihren Möglichkeiten eingesetzt und gefördert.

Auch für die Qualifizierung langjähriger Beschäftigter eignen sich die Bildungsrahmenpläne, deren Module mit den Gruppenleitern in der Werkstatt zusammen entwickelt werden. "Damit haben wir auch die Praxis im Boot", sagt Evers, die im Sozialdienst der Werkstatt in Rheinberg angesiedelt ist. Die Beschäftigten finden es gut, auch wenn die theoretische Durchdringung des Aktenordners zum Aufbau einer Firma schon mal ein Stirnrunzeln hinterlässt. Sie gewinnen mehr Selbstbewusstsein und können höherwertige Tätigkeiten übernehmen, so Evers.

Wenn der Schritt in die rauere Welt des ersten Arbeitsmarkts oder als Zwischenschritt ein Wechsel in einen Integrationsbetrieb ansteht, erweist sich die parallele Qualifizierung natürlich als deutlicher Vorteil. "Die Vergleichbarkeit kann leichter aufgezeigt werden und damit der neue Arbeitgeber besser einschätzen, was er von seinem neuen Mitarbeiter erwarten kann", sagt Evers. Aber auch für die, für die die arbeitsmarktnahe Qualifizierung nicht in Frage kommt, gibt es Angebote. Dafür sind Pläne entwickelt für eigene Ausbildungszweige wie zum Beispiel der "Verpacker", so Evers.

Die Entwicklung der Bildungsrahmenpläne ist ein Beispiel für die stetige Entwicklung in der sozialen Arbeit der Caritas. Wohin es gehen kann und soll in den kommenden Jahren diskutiert die Caritas in der Diözese Münster in ihrem Strategieprozess Carita 2025. Dazu lief eine breit angelegte Befragung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sowie der Bewohner, Patienten und Klienten in den Verbänden und Einrichtungen des katholischen Wohlfahrtsverbands.

Informationen im Internet: www.caritas2025.de

(RP)
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