Moers Sorge um den Stahl-Standort

Moers · Die Fusionspläne von Thyssenkrupp mit dem britisch-indischen Tata Steel versetzen die Duisburger Stahlarbeiter weiter in Sorge. Denn eine Fusion hätte auch Folgen für HKM und die Struktur in der ganzen Region.

 Blick auf den Schwelgernhafen von ThyssenKrupp.

Blick auf den Schwelgernhafen von ThyssenKrupp.

Foto: Holger Schröer

"Stahlfusion schwächt Thyssenkrupp" hatte die Rheinische Post in der vergangenen Woche getitelt. Eine Zeile, der Duisburgs IG Metall-Chef Dieter Lieske nur zustimmen kann, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung jetzt erklärte. Dass durch die scheinbar verstärkt wieder aufgenommenen Fusionsgespräche das 500-Millionen-Euro-Sparprogramm des Stahlriesen erst einmal auf Eis liege, trage nicht zur Beruhigung bei. "Bei HKM im Süden soll die Produktion von 5,2 Millionen Tonnen auf 4,2 Millionen Tonnen heruntergefahren werden. Das könnte rein rechnerisch einen Kahlschlag von 500 bis 600 Arbeitsplätzen bedeuten", so Lieske. Gleichzeitig zeige dies die indirekte Abhängigkeit von HKM an den Stahlbereich des Thyssenkrupp-Konzerns.

Der Knackpunkt sei stets die Bereitschaft zu Investitionen. "Konzernchef Heinrich Hiesinger scheut davor zurück und würde wohl am liebsten den Stahlbereich loswerden", vermutet der Gewerkschafter. Es sei ja nicht so, dass mit Stahl überhaupt kein Geld mehr zu verdienen sei. Der Bereich Steel habe zuletzt innerhalb des Konzerns 500 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet - nach Meinung der Konzernspitze offenbar zu wenig, wenn eigentlich in weit größerem Maße Investitionen notwendig seien. Beispiel HKM: Dort wurde ein Hochofen neu zugestellt, wie es mit dem zweiten weitergeht, ist noch nicht geklärt.

"Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit", so soll es in einem internen Papier des Konzerns heißen, werde auch dem Stahl attestiert. Das liegt nach Meinung der Arbeitnehmervertreter an ganz anderen Dingen - zum Beispiel auch an Managementfehlern. So habe der Konzern durch sein gescheitertes Vorhaben, in Brasilien ein Stahlwerk zu errichten, rund acht Milliarden Euro verbrannt. "Hätten wir die vernünftig investiert, wären unsere Probleme jetzt weitaus geringer", so Lieske.

Sollten die Fusion unausweichlich werden, stehen die Gewerkschafter "Gewehr bei Fuß". So soll schon davon die Rede sein, dass die Beschäftigten eines britischen Tata-Stahlwerks eine fünfjährige Garantie für ihre Arbeitsplätze aushandeln. "Wenn das so ist, müssten wir eine Garantie über zehn Jahre fordern - wir bringen schließlich mehr Geld in den Deal ein", sagt der IG Metaller.

Im Fusionsprozess selbst haben die Arbeitnehmervertreter kein Mitbestimmungsrecht. Eine wirtschaftliche Mitbestimmung gebe es nicht. Daher sei die Politik in besonderem Maße gefragt, gerade auch nach dem Regierungswechsel in NRW. "Nordrhein-Westfalen darf nicht zum Schlachthaus industrieller Arbeitsplätze werden", heißt es. Denn eine Fusion würde so große Einsparpotenziale und Synergieeffekte mit sich bringen, das Jobabbau in großem Stil wohl unvermeidlich wird. Und dies würde nach Auffassung der Arbeitnehmervertreter auch den sogenannten Overhead-Bereich treffen, also auch Angestellte und Weiße-Kragen-Jobs.

Der Stahlstandort Duisburg mit seinen über 20.000 Beschäftigten könnte eine Schlüsselfunktion für die industrielle Zukunft darstellen, wenn ausreichend investiert wird. Denn der Ausbau der Infrastruktur mit Straßen, Schienen und Brücken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Stahl in besonderem Maße gefragt ist. Das gilt auch für die Bauwirtschaft und den Geräte- und Anlagenbau. Leichter, hochfester Stahl, der auch beschichtet und verzinkt werden kann, ist auch in der Automobilindustrie gefragt.

(RP)
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