Moers Sorge um heimische Singvögel

Moers · Eine neue Vogelzählaktion des Naturschutzbundes für den Kreis Wesel deutet auf ein Verschwinden der Singvögel hin. Gezählt wurde auch in Moers, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort. Am häufigsten wurde der Haussperling gesichtet.

Moers: Sorge um heimische Singvögel
Foto: Bernd Limburg

Der Naturschutzbund im Kreis Wesel zeigt sich besorgt über die neuen Zahlen der Aktion "Stunde der Wintervögel". Bundesweit waren die Bürger Anfang Januar aufgerufen, Vögel in ihrem Garten zu zählen und dem Naturschutzbund zu melden - auch in Moers, Neukirchen-Vlyun und Kamp-Lintfort haben sich viele Bürger beteiligt. Das Gesamtergebnis für den Kreis Wesel besorgt Peter Malzbender, den örtlichen Vorsitzenden des Naturschutzbundes.

Zum Vergleich: Bei der aktuellen Zählung haben sich 618 Gärten im Kreis Wesel beteiligt, in denen insgesamt 15713 Vögel gezählt wurden - das macht pro Garten 25 Vögel. Im Januar 2016 wiederum beteiligten sich hingegen nur 345, es wurden aber 12.000 Tiere gezählt. Das macht 35 Vögel pro Garten. Die Ergebnisse im Kreis Wesel sind sogar noch dramatischer als im Bundestrend: Dort wurden in diesem Jahr im Mittel 34 Vögel pro Garten gemeldet. Ein Rückgang von 20 Prozent gegenüber der Vorjahreszählung, wo im Mittel 42 Vogelindividuen pro Garten gezählt wurden.

Bei den 15 meistgesichteten Vogelarten in den Gärten im Kreis Wesel ist die Zahl der entdeckten Tiere im Vergleich zum Vorjahr fast ausnahmslos rückläufig. Dramatisch ist etwa der Rückgang bei den Blau- und Kohlmeisen im Kreis Wesel, die beide 53 Prozent weniger gesichtet wurden als im Jahr 2016. Auch Dohlen (minus 50 Prozent) und Saatkrähen (minus 60 Prozent), die ebenfalls zu den Singvögeln zählen, sind deutlich seltener gesichtet worden. Die unterschiedliche Witterung kann ein Grund dafür gewesen sein, dass weniger Vögel zu sehen waren. Peter Malzbender glaubt aber einen anderen Grund zu kennen. "Es gab eine lange Regenperiode im Mai, die ausgerechnet in die Brutzeit fiel, als viele Jungvögel schlüpften." In dieser Regenphase hätten die Vögel kaum noch Insekten für ihre Jungtiere finden können. "Das hat sich bei den Singvögeln sogar so weit ausgewirkt, dass manche Brutpaare im Kreis ihre Nester ganz verlassen und die Eier nicht ausgebrütet haben." Malzbender hatte im vergangenen Mai verschiedene Nistkästen im Kreisgebiet aufgesucht. "Ich habe noch nie so viele tote Jungtiere in den Nistkästen entdeckt wie in diesem Jahr." Generell zeige sich die Tendenz, dass im agrarisch geprägten Raum der Vogelschwund dramatischer ausfällt als im urbanen Raum. Malzbender appelliert an die Gartenbesitzer, nicht mit Chemie das Unkraut im heimischen Garten zu bekämpfen. Nur so könnten Insekten als wertvolle Nahrung für die Vögel erhalten bleiben.

Vom 6. bis 8. Januar 2017 waren Naturfreunde in ganz Deutschland aufgerufen, Wintervögel zu zählen. Die jährliche Aktion des Nabu steht in diesem Jahr unter besonderer Beobachtung, weil viele Gartenbesitzer schon im Vorfeld über die leerbleibenden Futterhäuschen gestaunt hatten. Die Vogelzählung sollte deshalb einen wissenschaftlichen Eindruck darüber vermitteln, wie hoch der Vogelbestandsrückgang im Kreis Wesel ist. Die Wintervogelzählung funktionierte so, dass jeder von einem ruhigen Beobachtungsplätzchen aus von jeder Art die höchste Anzahl notieren sollte, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu beobachten waren. Malzbenders frohe Botschaft ist, dass das im Vorfeld von vielen beklagte Fehlen der Singvögel den Menschen nicht gleichgültig ist. "Es freut uns sehr, dass die Veränderung wahrgenommen wird und die Leute in großer Zahl mitmachen."

Wie Malzbender derzeit beobachtet, kommen viele Singvögel aus dem Norden mit Verspätung am Niederrhein an. Das Futterangebot war in ihren angestammten Regionen noch gut genug gewesen, um länger zu verweilen. Nun aber wurden im Kreis Wesel größere Schwärme von Wacholder- und Rotdrosseln gesehen. Auch Wasservögel wie Säger stellten sich auf der Suche nach Fischen in eisfreien Gewässern ein, ferner kamen einer Naturfreundin aus Utfort Seidenschwänze vor die Linse (wir berichteten). "Ein ornithologisches Highlight", sagt Malzbender.

(RP)
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