Kamp-Lintfort Soziale Medien bald auch barrierefrei

Kamp-Lintfort · Studierende der Hochschule Rhein-Waal entwickeln ein "greifbares" Interface, das Menschen mit geistiger Behinderung die Nutzung von neuen Medien ermöglichen soll.

 Professor Dr. Christian Ressel (im Bild) entwickelte mit drei Studenten der Hochschule Rhein-Waal ein Steckbrett für Menschen mit geistiger Einschränkung. In Zukunft soll dieses Brett mit der nötigen Technik versehen werden, um eine funktionstüchtige Demonstrationsversion herzustellen.

Professor Dr. Christian Ressel (im Bild) entwickelte mit drei Studenten der Hochschule Rhein-Waal ein Steckbrett für Menschen mit geistiger Einschränkung. In Zukunft soll dieses Brett mit der nötigen Technik versehen werden, um eine funktionstüchtige Demonstrationsversion herzustellen.

Foto: Hans-Ulrich Kress

Im Rahmen eines interdisziplinären Semesterprojekts in Kooperation mit dem Düsseldorfer "PIKSL Labor", haben Studierende der Hochschule Rhein-Waal (HRW) jetzt ihre Arbeit mit dem Titel "Keep in Touch — Social Media für jeden greifbar machen" vorgestellt. Drei Studenten entwickelten ein Bedienkonzept, das eine barrierearme Nutzung von sozialen Medien ermöglicht. So wird beispielsweise die Navigation eines Videochats über greifbare Steuerungselemente auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf ermöglicht. Maus, Tastatur oder Touchscreen werden überflüssig.

Christian Ressel, Professor für Ambient Intelligent Systems an der HRW, rief das Projekt ins Leben, nachdem er im Jahr 2010 bei einem Workshop erkannt hatte, wie groß die Barrieren im Internet für Menschen mit geistiger Behinderung sind. "Die Menschen haben gezeigt, wie sehr sie sich ausgeschlossen fühlen", sagt Ressel. "Das hat mich bewegt, einen Teil meiner persönlicher Forschung diesem Thema zu widmen."

Die Anfrage für das neuartige Bediensystem kam aus dem Düsseldorfer PIKSL Labor, in dem Menschen mit Behinderung digitale Barrieren analysieren und barrierearme Kommunikationstechnik mitentwickeln. Die Besonderheit bei PIKSL: Der behinderte Mensch wird nicht als betreuungsbedürftig, sondern als kompetenter Partner beim Abbau von Barrieren gesehen. Viele Menschen mit Behinderung wünschen sich die Zugänglichkeit zu sozialen Medien, scheitern aber oftmals an technischen Hürden.

Den Entwicklern von "Keep in Touch", Katrin Bontrup, Elmar Burke und Jan Holloh, Studierende des Studiengangs "E-Government" an der HRW, waren nach dem ersten Besuch in Düsseldorf schnell klar, dass es nicht darum geht, bestehende Ideen aus der Schublade zu ziehen, sondern sich zunächst ein genaues Bild von der Lebenswelt und den Anforderungen der Nutzer zu machen. Besuche und Gespräche mit Anwendern zeigten, dass der Umgang mit gewöhnlicher Peripherie, wie der Computermaus oder Tastatur, unüberbrückbare Barrieren darstellte.

Diese Erfahrung führte zur Entwicklung des hölzernen Prototyps, der über Steckelemente eine intuitive Nutzung zulässt. Die Form sowie Bedienbarkeit erinnert an ein Handgriff-Puzzle. "Bald wollen wir das Holz elektrisch machen", sagt Prof. Dr. Christian Ressel und lobt das entstandene Konzept: "Unseren Studierenden ist es gelungen, ein System zu konzeptionieren, das in der Bedienbarkeit keinen hohen Abstraktionsgrad voraussetzt, sich an den Alltagserfahrungen von Menschen mit geistigen Einschränkungen orientiert und somit als Kommunikationsplattform zu Freunden von nahezu jedem genutzt werden kann. "Es würde mich freuen wenn die Welt mit dem System verbessern können", sagt Ressel.

In den kommenden Semestern soll das Konzept an der Hochschule Rhein-Waal in einen funktionsfähigen Prototypen überführt werden. Im Düsseldorfer PIKSL Labor verfolgt man die weitere Entwicklung zumindest mit hohem Interesse. Genauso wie die vielen Menschen, denen damit der Umgang mit sozialen Medien erleichtert wird.

(RP/EW)
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