Serie Auf Der Flucht Spitzel der Gestapo verrät junge Moerser Aktivistin

Moers · Maren Schmidt erzählt die Biografie von Gertrud Lemmnitz. Im Nazi-Regime wurde sie wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt.

 Der Lebenslauf von Gertrud Lemmnitz hat Maren Schmidt (links) sehr beeindruckt. Sie beleuchtete für die Sonderausstellung im Grafschafter Museum die Biografie von Gertrud.

Der Lebenslauf von Gertrud Lemmnitz hat Maren Schmidt (links) sehr beeindruckt. Sie beleuchtete für die Sonderausstellung im Grafschafter Museum die Biografie von Gertrud.

Foto: A. Katzke

Moers Maren Schmidt traf Gertrud Lemmnitz zum ersten Mal in den 1990er Jahren. "Sie war damals bereits 80 Jahre alt und blickte auf ein bewegtes Leben zurück." Kennengelernt hatten sie sich während der Recherchen von Bernhard Schmidt für das Buch "Tatort Moers". "Sie war eine mutige Frau mit einem beeindruckenden Lebenslauf", betont Maren Schmidt. Die aktuelle Sonderausstellung im Grafschafter Museum "Flucht vom Niederrhein" gab der Moerserin den Anlass, das Schicksal von Gertrud Lemmnitz weiter auszuleuchten. Ihre Familie gehörte zu den vom Nazi-Regime verfolgten Kommunisten. Gertrud Lemmnitz, geborene Pusch, wurde 1912 in Ragnit bei Tilsit / Ostpreußen geboren. Die Familie kam um 1925 nach Moers, weil der Vater auf der Zeche Rheinpreußen Arbeit gefunden hatte. Als der Vater in die KPD eintrat, wurde die damals 13-jährige Gertrud Mitglied bei den Jungen Pionieren. "Sie war von klein auf durch die Eltern politisiert."

 Gertrud Pusch (später Lemmnitz) mit ihren Eltern beim Schulentlass in Moers. Sie fand keine Arbeit, weil ihr Vater in der KPD aktiv war.

Gertrud Pusch (später Lemmnitz) mit ihren Eltern beim Schulentlass in Moers. Sie fand keine Arbeit, weil ihr Vater in der KPD aktiv war.

Foto: Schmidt

Maren Schmidt lernte Gertrud Lemmnitz als ruhige und zurückhaltende Frau kennen, die von sich aus gar nicht so viel erzählte. "Sie hatte zwei Weltkriege erlebt." In Moers besuchte die junge Frau die Handelsschule. Nach dem Schulabschluss fand sie als Tochter eines bekannten Kommunisten keine Arbeit in Moers. "1930 bekam sie dann eine Anstellung bei der KPD-Unterbezirksleitung in Hamborn. Nach dem Verbot der KPD im Jahr 1933 arbeitete sie mit anderen Aktivisten illegal weiter." Wie Lemmnitz später berichtete (unter anderem in der Biografie von Klaus Kühnel "Wer aufbegehrte, wurde dort erschossen"), befand sich in der Truppe ein Spitzel der Gestapo. Er soll alle verraten haben. Gertrud kam in so genannte Schutzhaft, wurde bis zum Prozessbeginn aber entlassen. "Ihre Mutter war in ständiger Sorge um sie, holte sie immer abends von der Straßenbahn ab, wie spät es auch war. Die Eltern haben ihrer Tochter geraten, in die Niederlande zu gehen, und die Partei organisierte die Flucht. Auf Fahrrädern ging es durch die Wälder ins Nachbarland", berichtet Maren Schmidt. In den Niederlanden habe Gertrud in der Illegalität gelebt, aber weiter für die KPD gearbeitet. So soll sie Flugblätter und Bericht vervielfältigt haben. Dort traf sie auch Alfred Lemmnitz, den Leiter des Kommunistischen Jugendverbands Moers. Er wurde später ihr Ehemann.

Nach sechs Jahren in der Illegalität bekam Gertrud einen holländischen Pass ausgestellt. "Doch dieser wurde ihr zum Verhängnis, als die Wehrmacht in den Niederlanden einmarschierte. Die Polizei übergab die Unterlagen der legalisierten Emigranten an die Gestapo", weiß Maren Schmidt. Gertrud wurde nach Deutschland gebracht.

Nach eineinhalb Jahren Einzelhaft verurteilte sie der Volksgerichtshof Berlin 1941 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu vier Jahren Zuchthaus. Sie kam erst nach Cottbus ins Gefängnis, danach ins Frauen-KZ Ravensbrück - "zur Vernichtung", wie Gertrud später in Interviews erzählen sollte. Als die Rote Armee 1945 das KZ befreite, kam auch sie frei. Mit ihrem späteren Ehemann Alfred Lemmnitz ging sie nach Ostberlin. Er war in der DDR unter anderem Minister für Volksbildung. Maren Schmidt hat Gertrud Lemmnitz bis zu ihrem Tod im Alter von 88 Jahren (2000) noch einige Male in Berlin besucht. Zur Eröffnung der Ausstellung "Flucht vom Niederrhein" im Herbst kamen die beiden Kinder von Gertrud nach Moers. "Sie waren sehr beeindruckt, wie das Leben ihrer Mutter dargestellt wird. Besonders bewegt hat es sie, eine Tonaufnahme mit ihrer Stimme hören zu können."

Die Ausstellung läuft bis zum 11. März im Grafschafter Museum.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort