Leichtathletik Die Rittes - eine Stabhochsprungfamilie

Moers · Reiht man die Leistungen von sechs Stabhochspringern der Moerser Familie Ritte aneinander, so ergibt sich das Maß von 24,49 Metern, eine inoffizielle Bestmarke, die wohl unerreicht bleiben wird. Bei Bayer Uerdingen wird trainiert.

 Der Stabhochsprung spielt im Leben der Familie Ritte eine große Rolle: (v.l.) Wolfgang und Ute Ritte, Thomas und Sabrina Ritte, Timo und Christina Ritte mit dem Nachwuchs Matthias, Theresa und Tim.

Der Stabhochsprung spielt im Leben der Familie Ritte eine große Rolle: (v.l.) Wolfgang und Ute Ritte, Thomas und Sabrina Ritte, Timo und Christina Ritte mit dem Nachwuchs Matthias, Theresa und Tim.

Foto: Privat

Vor mehr als 90 Jahren trafen sich auf einem Sportplatz am Niederrhein zwei Leichtathleten, die gemeinsam an einem Stabhochsprungwettbewerb teilnahmen. Sie ahnten zu diesem Zeitpunkt zwischen den Weltkriegen noch nicht, dass ihre Ahnen beinahe ein Jahrhundert später in der gleichen Sportart Rekorde um Rekorde aufstellen würden. Es handelte sich bei dieser Begebenheit in den 1920er Jahren um die Großväter von Ute und Wolfgang Ritte aus Moers, die heute ihrerseits erfolgreiche Kinder und Enkelkinder haben.

Das Ehepaar ist noch immer aktiv, auch wenn es sich selbst mittlerweile bei den Senioren in den "Ü 60"-Altersklassen tummelt — das allerdings mit überwältigendem Erfolg unter der Flagge des SC Bayer Uerdingen. Vier Weltrekorde stellte Wolfgang, der Pensionär aus dem Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, bereits in diesem Jahr auf. Kein anderer 60 Jahre alte Leichtathlet überquerte jemals 4,13 Meter.

Ritte erledigte das in einer Art und Weise, die keinen Zweifel daran zulässt, dass er demnächst in Sergey-Bubka-Manier Zentimeter um Zentimeter draufzupacken gedenkt — wenn er gesund bleibt. Seine Frau Ute, immer noch als Lehrerin in Kamp-Lintfort im Dienst, holte 23 Titel als Deutsche Meisterin, sammelte 15 internationale Erfolge, wurde zuletzt Hallen-Europameisterin und begleitet ihren Mann rund um den Globus zu Meisterschaften in der "Masters-Klasse".

Das aber erfordert ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft, Flexibilität und Organisationstalent. Freie Tage in der Schule gibt's nur für Teilnahmen an internationalen Meisterschaften. Zeit fürs Planen und Vorbereiten hat lediglich Wolfgang, das heutige Familienoberhaupt mit mehr als 110 nationalen und internationalen Titeln.

"So etwas ist ja kein Ausflug", sagt er, der zuletzt mit seiner Frau und seinem Sohn Thomas, einem Oberarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im St.-Josef-Krankenhaus in Moers, bei den Weltmeisterschaften in Budapest einen Titel, zwei zweite und drei dritte Plätze abstaubte — auch in den Disziplinen Sprint und Weitsprung. Auf Reisen geht es mit wertvoller Fracht: Ein Stab kostet schnell 500 Euro. Allein sechs dieser Geräte werden pro Wettkampf pro Starter mitgenommen. "Im Training arbeiten wir nochmals mit anderen Stäben", so Ritte senior. Und in einen Koffer passen diese Dinger eben auch nicht.

Wolfgang, Ute, Thomas — das ist es aber noch lange nicht. Christina, 31 Jahre alte Lehrerin auf den Spuren ihrer Mutter, hat mittlerweile selbst einmal Nachwuchs bekommen. Die 3,80-Meter-Bestmarke aus den Neunziger Jahren nimmt sie heute nicht mehr ins Visier, aber sie fährt ebenfalls des Öfteren mit zu den Meetings — und hat dann ihrerseits einige Stäbe im Gepäck. Sie ist verheiratet mit Timo, der ein Mehrkämpfer war und ist, als Steuerberater arbeitet — und zuweilen die Ritte-Phalanx ergänzt. Zudem ist Thomas mit Sabrina verheiratet, die als "fliegende Bänkerin" und Mutter von zwei Kindern schon mal 12,88 Meter im Dreisprung und 3,62 Meter im Stabhochsprung in die Statistiken des Deutschen Leichtathletikverbands eintragen lassen durfte.

Kurzum: Das Familien-Unternehmen "Ritte Air" hält den Fabel-Weltrekord von 24,49 Metern im Stabhochsprung — alle persönlichen Bestmarken aneinander gereiht. Das erkannten 2008 auch die Granden der Szene, allen voran Bubka und andere prominente Alt-Stars: In Monaco wurde Wolfgang Ritte als Welt-Seniorensportler ausgezeichnet. Auf dem Erinnerungsfoto rahmten ihn Usain Bolt und Yelena Isinbayeva ein — unvergessliche Momente im Sternensaal des Casino-Clubs im kleinen, mondänen Fürstentum.

(RP)
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