Interview: Rechtsanwälte Alexander Götz Und Nicole Freier "Verbraucher sind unzureichend informiert"

Moers · Die Moerser Rechtsanwälte Nicole Freier und Alexander Götz erklären, was sich mit dem neuen Verbraucherschutz-Gesetz geändert hat.

 Dier Interviewpartner Nicole Freier (r.) und Alexander Götz sind Rechtsanwälte für Bau- und Architektenrecht und betreiben eine Kanzlei für Bau- und Immobilienrecht in Moers.

Dier Interviewpartner Nicole Freier (r.) und Alexander Götz sind Rechtsanwälte für Bau- und Architektenrecht und betreiben eine Kanzlei für Bau- und Immobilienrecht in Moers.

Foto: Klaus Dieker

Das neue deutsche Gesetz zur Umsetzung des europäischen Verbraucherrechts ist vor etwa drei Monaten in Kraft getreten. Landen seitdem viele Fälle auf Ihrem Schreibtisch, die mit dem neuen Gesetz in Zusammenhang stehen?

Götz Bei uns ist das so: Wir versorgen unsere Mandanten, insbesondere die in der Baubranche tätigen Firmen, regelmäßig mit Neuigkeiten zu aktuellen Gesetzesneuerungen. Daraufhin haben sich viele unserer Mandanten mit Fragen an uns gerichtet.

Offenbar ist also die neue Gesetzeslage für Europa noch nicht überall in der Grafschaft angekommen, richtig?

Freier Das kann man so sagen. Nur die wenigsten unserer Mandanten wussten über die neue Gesetzeslage Bescheid. Ob darüber hinaus die Verbraucher, die das Gesetz betrifft, auch ausreichend informiert sind, halte ich für fraglich.

Erklären Sie bitte noch einmal die Hintergründe und Idee, die hinter dem neuen Gesetz steht.

Götz Ziel des Gesetzgebers war es, zu verhindern, dass der Verbraucher überstürzt Verträge abschließt. Dies soll beispielsweise im Baubereich die Verträge betreffen, die bei Vor-Ort-Terminen in der Wohnung oder dem Haus des Auftraggebers abgeschlossen werden. Ferner gilt vor Vertragsabschluss eine neue umfassende Informationspflicht des Verbrauchers.

Was ist dementsprechend neu für den Verbraucher?

Götz Dem Verbraucher steht seit Juni 2014 grundsätzlich immer dann ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, wenn er ohne ausreichende Bedenkzeit einen Vertrag mit einem Unternehmer abschließt. Das Gesetz sieht diese Voraussetzung als erfüllt an, sobald der Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Vertragsparteien außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen wird. In diesen Fällen muss der Unternehmer den Verbraucher ausführlich über sein Widerrufsrecht belehren. Ist der Verbraucher von dem Unternehmer nicht oder nicht zutreffend über sein Widerrufsrecht belehrt worden, erlischt das Widerrufsrecht des Verbrauchers erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.

Und was hat sich für die Unternehmen mit der neuen Gesetzeslage geändert?

Götz Gerade für unsere Mandanten, die aus dem Bau- und Immobiliengewerbe kommen, ist das eine Umstellung. In der Baubranche gab es bisher dieses Widerrufsrecht nicht. Früher kannte man das Widerrufsrecht lediglich von Haustürgeschäften oder Käufen im Internet. Wir raten den Bauunternehmen, die Verbraucher nachweisbar über deren Widerrufsrecht aufzuklären. Insoweit sollten bestimmte neue Textbausteine und eine Widerrufsbelehrung in die Vertragsmuster der Bauunternehmen integriert werden. Ferner sollte der Bauunternehmer bestenfalls erst nach 14 Tagen, also nach dem Ende der Widerrufsfrist, mit den Arbeiten beginnen, damit ein möglicher Widerruf nicht während der bereits begonnenen Bauleistung erfolgt.

Können Sie ein simples Beispiel nennen, um den Sachverhalt zu verdeutlichen?

Freier Nehmen wir an, ein Handwerker wird gerufen, um eine Heizungsanlage zu reparieren und unterbreitet dem Auftraggeber ein Angebot vor Ort, was der Kunde in diesem Termin auch beauftragt. Dann sollte der Handwerker ausführlich und nachweisbar den Verbraucher bei Vertragsschluss auf sein Widerrufsrecht hinweisen. Tut er das nicht, verlängert sich das Widerrufsrecht um zwölf Monate und 14 Tage. Dann kann der Kunde in dieser langen Zeitspanne jederzeit ohne Angabe von Gründen den geschlossenen Vertrag widerrufen, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Und was passiert, wenn die vereinbarten Arbeiten schon begonnen haben, wenn dieser Widerruf dann erfolgt?

Götz Das sind problematische Fälle für den Unternehmer, weil er dann gegenüber dem Verbraucher darzulegen hat, welchen Wert seine bis zu dem Widerruf erbrachte Leistung zu dem vereinbarten Gesamtpreis des ursprünglichen Auftrags hat.

Gibt es denn auch Branchen, die von dem neuen Gesetz nicht betroffen sind?

Freier Ausgenommen sind in der Baubranche nur Verträge über den Neubau von kompletten Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden, beispielsweise bei denen nur noch die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt. Außerdem sind in einem eng gefassten Rahmen Verträge über ganz dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten ausgenommen. Beispielsweise, wenn irgendwo ein Rohr bricht und die Reparatur wegen eines drohenden oder bereits erfolgten Schadens sofort erfolgen muss.

SEBASTIAN FUHRMANN STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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