Moers Wahlkampfauftakt mit neuem CDU-Format

Moers · Im Landtagswahlkampf versucht der CDU-Kandidat Ingo Brohl mit dem "Peschkenhaus-Talk" zu punkten. Zur Premiere sprach er mit dem ehemaligen Moerser RP-Lokalchef Ulli Tückmantel. Dabei ging es auch um das Konservative in der CDU.

 Ulli Tückmantel (l.) traf im Peschkenhaus auf Ingo Brohl - zum Kernthema des Abends drangen beide gegen Ende vor.

Ulli Tückmantel (l.) traf im Peschkenhaus auf Ingo Brohl - zum Kernthema des Abends drangen beide gegen Ende vor.

Foto: Telepano

Diese Konstellation versprach eine gewisse Spannung: Auf der einen Seite Ingo Brohl, als Moerser CDU-Fraktionschef, mit dem Ruf eines Hardliners. Auf der anderen Seite Ulrich Tückmantel, früherer RP-Lokalchef, heute Chefredakteur der Westdeutschen Zeitung und Moerser Bürger. Tückmantel genoss in seinen Moerser Zeitungszeiten den Ruf, in alle Richtungen gut austeilen zu können, ein harter Hund zu sein. Was also würde passieren, wenn harter Hund auf Hardliner trifft? Man durfte gespannt sein, wie sich dieser Abend entwickeln würde, der den Auftakt einer Serie von Gesprächen in diesem kleinen Schmuckkästchen von Moers bilden sollte. "Peschkenhaus-Talk" heißt das Format. Am Ende zeigte sich: Das neue Konzept ist gelungen, beide Gesprächspartner verstanden sich gut. Manchmal, so möchte man festhalten, fast zu gut.

Die Idee: Zwei Menschen unterhalten sich, Zuschauer dürfen Zwischenfragen stellen. Rund 25 Besucher waren gekommen, vorwiegend aus CDU-Kreisen, was man spätestens da merkte, als zwei Männer nach zwei Dritteln des Abends den Raum verließen und sich daraufhin eine Frau zur Parteifreundin umdrehte und fragte: "Kanntest Du die?" Die Partei war fast unter sich, was dem Abend die Schärfe nahm. Man hätte sich gewünscht, dass auch Wähler anderer Couleur diesem Format beigewohnt hätten.

Einen theoretischen Überbau hatten sich Brohl und Tückmantel für ihr Gespräch nicht ausgedacht. Zehn Minuten habe man am Abend vorher telefoniert und überlegt, was man ansprechen wolle, sagte Brohl. Fragen hätte man sich aber gegenseitig nicht ausgetauscht. So gerieten die ersten 25 Minuten zu einem kleinen Exkurs Tückmantels über das Zeitungswesen als solches und man fragte sich, welche Rolle Brohl hier spielen sollte. Man hörte "tüc", so sein Kürzel und Rufname in Zeitungskreisen, gerne zu - was mit ihrer Zeitung passiert, lässt die Menschen eben nicht kalt. Das neue Wahlkampfkonzept eines Talkformats steckte da allerdings noch in der Findung. Den roten Faden nahm das Gespräch auf, als Ingo Brohl in Richtung seiner Partei nicht ohne Selbstkritik einräumte, dass die CDU zu lange auf das Politikmachen verzichtet habe. Er spielte auf Pofallas "asymmetrische Demobilisierung" an, kam dann auf den SPD-Kanzlerkandidaten zu sprechen und bilanzierte: "Endlich wird wieder Politik gemacht, dank Martin Schulz." Es seien wieder Fronten erkennbar.

Natürlich würde über die große Politik gesprochen - Trump, DITIB und Elterngeld. Der Charme aber lag im Konzept, auch mal von "Hölzken auf Stöcksken" zu kommen, Moerser Lokalpolitik mit Bundesthemen zu verflechten. Als etwa die Rede vom mittlerweile abgeschafften Moerser Parkfest war, das wegen Sicherheitsauflagen nicht mehr gefeiert wird, sagte Tückmantel: "Ich bin mir sicher, wenn das Parkfest politisch gewollt ist, dann kommt es auch. Wir können in Moers schließlich auch Konzerte in einer umgebauten Tennishalle stattfinden lassen." Als der Journalist auf die Moerser Schullandschaft verwies und sein Erstaunen über die Lehrpläne zum Ausdruck brachte, da kamen Ansätze einer Kontroverse auf. Warum er sich als Politiker gegen seine Partei stelle und für eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren plädiere, fragte Tückmantel? Brohl, als Wirtschaftsjurist selbst Lehrbeauftragter an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, sprach deutlicher Klartext als dies Landtagsabgeordnete der Union derzeit tun. "Den Jungen fehlen heute zwei Jahre, einmal das 13. Schuljahr und einmal die Bundeswehr oder der Zivildienst." Er beklagte auch die Verdichtung des Stundenplans und stellte die These auf, dass Kreativität durch Langeweile entstehe. "Sitzenbleiben muss eine Option sein", forderte Brohl - auch mit Verweis auf die eigene Schullaufbahn. Er selbst sei kein guter Schüler gewesen, aber zum Abitur sei er dadurch gekommen, dass er das Risiko des Sitzenbleibens im Nacken gehabt habe.

Auch sprach sich Brohl dafür aus, den Wert von Real- und Hauptschulabschluss anzuerkennen. Alles sei gegenwärtig auf das Gymnasium fixiert: "Muss der kleine Hans auf das Gymnasium, wenn er nur Vieren schreibt?" Wieder flocht Brohl eine private Geschichte ein, die seiner beiden Cousins, "beide aus dem gleichen Taubenschlag" - der eine wurde Dr. Dr., Chemie und Physik, der andere Schreinermeister. Und er sei glücklich darüber, dass der Schreinercousin nicht nur theoretisch rechnen, sondern ihm auch die Türen einbauen könne.

Brohl kritisierte, dass die CDU das Instrument des Elterngeldes viel zu wenig als eigene Leistung verkaufe ("exzellente Familienpolitik") und plädierte für einheitliche Kita-Gebühren in allen Kommunen, aber gegen die Abschaffung von Kita-Gebühren ("Geld aus dem System rausnehmen ist falsch").

Zum Kernthema des Abends drangen beide dann gegen Ende vor - die Frage nach dem Konservativen in der CDU. Etwa da, als es um die Rolle der Muslime in Deutschland und Moers ging. Brohl sagte im Bezug auf den DITIB-Abhörskandal in Deutschland: "Ich hätte mir ein deutlicheres Statement der Muslime in Moers gewünscht. Die schwimmen, die sind in einer Drucksituation." Tückmantel fragte mit Verweis auf den Krefelder Gerald Wagener, der als CDU-Mitglied eine Kampagne unter anderem gegen die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Radomski hatte starten wollen: "Gibt es in Moers auch einen konservativen Kreis?" Brohl: "Wir haben das in dieser Ausprägung nicht." Wagener, so Brohl, habe mit seinem Vorstoß im Kern das Anliegen gehabt, eine linke Mehrheit in Deutschland zu schaffen und die CDU aus der Opposition heraus zu erneuern. Das sei nicht sein Verständnis von Politik. Eigentlich sei Wagener aber eine Hilfe für die CDU gewesen. Die CDU in Krefeld habe nur falsch reagiert. "Ich hätte ihm 500 Euro überwiesen und gesagt, dass er noch mehr Plakate drucken soll. Eine bessere Wahlwerbung kann er nicht machen. So macht Politik wieder Spaß."

Politik mit Spaß - das auch für diesen Abend bilanziert werden. Zwei Stunden vergingen kurzweilig, was sicherlich am unterhaltenden Talent des Journalisten tüc, aber auch an der klaren Kante des Gastgebers Brohl lag. Ein Streitgespräch wurde es nicht - aber wird dieser Tage ohnehin nicht viel zu viel gestritten?

(RP)
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