Moers Warum Moerser Evangelisch sprechen

Moers · Konfessionelle Unterschiede haben zur Sprachgeschichte des Niederrheins entschieden beigetragen. Das ist die These eines Vortrags, den Georg Cornelissen vom LVR-Institut für Landeskunde morgen im Moerser Schloss hält.

 Georg Cornelissen steht auf einer alten evangelisch-katholischen Dialektgrenze: der heutigen Düsseldorfer Straße in Kaldenhausen.

Georg Cornelissen steht auf einer alten evangelisch-katholischen Dialektgrenze: der heutigen Düsseldorfer Straße in Kaldenhausen.

Foto: Waldor-Schäfer

Wer von Moers nach Uerdingen fährt und nicht weiß, ob er schon in Krefeld oder noch in Rumeln-Kaldenhausen ist, muss nur nach dem Weg fragen. Oft verrät schon die Satzmelodie des Antwortenden, auf welcher Seite der Uerdinger Linie sich Fragender und Befragter befinden. Jene Linie ist eine wissenschaftlich anerkannte Sprachgrenze, die zwischen beiden Städten in Ost-West-Richtung verläuft. Auch in Aldekerk sprechen die Menschen anders als zum Beispiel in Neukirchen-Vluyn. Warum das so ist, will der Sprachforscher Georg Cornelissen morgen im Rittersaal des Moerser Moerser Schlosses erklären.

Seine These: Die nach der Reformation entstandenen konfessionellen Grenzen haben ihre Spuren, zum Teil bis heute, in der sprachgeschichtlichen Entwicklung des Niederrheins hinterlassen und Dialekte geprägt.

Cornelissens besonderes Augenmerk gilt der Grenze zwischen der ehemaligen Grafschaft Moers und dem katholischen Umland. Seit dem 16. Jahrhundert war die Grafschaft Moers eine protestantische Insel am Niederrhein. Auch die Dialektinsel um Pfalzdorf im Kreis Kleve stehe in engem Zusammenhang mit dem evangelischen Bekenntnis ihrer Bewohner. So seien Hochzeiten zwischen katholischen und protestantischen Niederrheinern bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein eher selten geblieben.

Bei kirchlichen Begriffen lasse sich das besonders prägnant demonstrieren. Während in Tönisberg ein Flugzettel aus dem 17. Jahrhundert Gläubigen "vollen aflaat" verspreche, habe man auf Grafschafter Gebiet den hochdeutschen Begriff "Ablass" verwendet. Cornelissen erinnert daran, dass etwa in Geldern die (katholischen) Gottesdienste noch lange auf Latein und Niederländisch gehalten wurden, während in Kirchen der Grafschaft Moers selbst unter oranischer Herrschaft Deutsch gesprochen wurde. Im Grafschafter Platt etwa sei das Gesangbuch ein "Gesangbuk", während am katholischen Niederrhein der Begriff "Bäbuk" geläufig sei.

Besonders spannend findet Cornelissen, dass sich die Dialekte auch noch lange nach der Reformation unterschiedlich entwickelt haben. Er kann nachweisen, dass etwa das Aldekerker Platt sich noch im 19. Jahrhundert durch Einflüsse aus dem ebenfalls katholischen Krefeld verändert habe. Entsprechende Einflüsse von Krefeld auf die südliche Grafschaft Moers habe es dagegen nicht gegeben.

Konfessionelle Unterschiede in der Dialektentwicklung ließen sich, so der Forscher, auch an Namen ablesen. Cornelissen: "Typisch für Moers sind die Endsilben "schen" im namen. Also Eickschen oder Bruckschen. Außerhalb von Moers wird daraus Eichmann oder Bruckmann."

Cornelissen stammt aus Winnekendonk und arbeitet als Regionalsprachforscher des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Bonn.

"Evangelische und katholische Dialekte am Niederrhein", Mittwoch, 13. September, 19 Uhr, im Grafschafter Museum Kastell 9, Eintritt drei Euro.

(RP)
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