Unsere Woche Was darf die Satire?
Moers · Kurt Tucholsky hat die Frage, was Satire dürfe, ziemlich eindeutig beantwortet. "Alles", schrieb er am 27. Januar 1919 im Berliner Tageblatt. Aber er wusste damals schon, dass seine Landsleute das komplett anders sahen, denn der Artikel beginnt mit dem Satz: "Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel."
Viel geändert hat sich seitdem nicht. Jedenfalls nicht in Moers. Es gibt immer noch Leute, die tapfer behaupten, dass Satire alles dürfe, derweil die Mehrheit derer, die das politische Geschehen verfolgen, nur darauf warten, übelnehmen zu können, wenn einer einen Scherz auf ihre Kosten reißt.
Eine lobenswerte Ausnahme bildet da Dino Maas, was ihm als Fraktions-Chef der örtlichen Liberalen auch gut zu Gesicht steht. Ihn haben die beiden Werber Achim Müntel und Christian Hommel doch tatsächlich ziemlich derbe verhohnepiepelt. Den Slogan eines seiner Werbeplakate haben sie von "Vertrau der Freiheit" abgeändert in "Vertraut dem Frettchen".
In ihrer Persiflageserie hatten sie die Wahlkampagne der örtlichen Parteien aufs Korn genommen - zum Teil mit ziemlich originellen Ideen. So ließen sie etwa die Homepage des Moerser Bürgermeisters unverändert und behaupteten, ein Unbekannter habe die Seite gehackt und mit unvorteilhaften Bilden und dämlichen Aussagen gefüllt. Das ätzt, und wenn's weh tut, dann ist das in Ordnung.
Im Falle Maas aber ist der Gedankensprung von der Freiheit zum Frettchen schon ein ziemlich abenteuerlicher und wohl nur mit Hilfe der Alliteration "Fr" zu bewältigen. Sollte der Ausflug ins Tierreich in irgendeiner Form mit dem Aussehen von Maas zu tun haben, wäre das unterhalb der Gürtellinie. Wie auch immer: Der Gag ist brillant in die Hose gegangen.
Zu Recht merkt Maas an, dass er den Tiervergleich "nicht witzig" finde, verzichtet aber darauf, seinerseits los zu keilen. Er ahnt wohl , dass ihm kein Wahlkampfauftritt den Bekanntheitsgrad eingebracht hätte wie diese missglückte Satire.
Ein schönes Wochenende!
Jürgen Stock
