Moers Wie Flüchtlinge Flüchtlingen helfen

Moers · Der Bunte Tisch betreut 152 Menschen in der provisorischen Landes-Aufnahmestelle Achterathsfeldschule. Viele der ehrenamtlichen Helfer, die in Kapellen im Einsatz sind, haben selbst ein Flüchtlingsschicksal hinter sich.

 Mohamad El Bast vom Bunten Tisch (zweiter von links) erklärt zusammen mit (stehend v.l.) Abdallah Lafi, Abdul Samir und Ayman al Galoud den Neuankömmlingen in der Achterathsfeldschule das Ausfüllen eines Behördenformulars.

Mohamad El Bast vom Bunten Tisch (zweiter von links) erklärt zusammen mit (stehend v.l.) Abdallah Lafi, Abdul Samir und Ayman al Galoud den Neuankömmlingen in der Achterathsfeldschule das Ausfüllen eines Behördenformulars.

Foto: Klaus Dieker

Ayman al Galoud (23) ist Syrer. Seit zehn Monaten lebt der junge Mann in einer Asylbewerberunterkunft der Stadt Moers. Für den Studenten, der aus den Bürgerkriegswirren seines Heimatlandes nach Deutschland flüchtete, eine besonders belastende Situation.

Denn bei der gefährlichen Flucht über das Mittelmeer ließ er seine hochschwangere Frau zurück. Sie sollte nach der Niederkunft nachkommen, sobald er sichere Aufnahme gefunden hätte Galoud Vater einer kleinen Tochter. Inzwischen ist al Galoud Vater einer kleinen Tochter.

Doch das Kind hat er nicht gesehen. "Er wartet immer noch auf eine Entscheidung über seinen Asylantrag, ehe er die Familie nachkommen lassen kann", sagt Amar Azzoug von der Hilfsorganisation "Bunter Tisch". Doch in diesen Tagen kommt der Student aus Syrien nur selten dazu, über seine eigenen Probleme nachzudenken. Er ist einer von 26 Helfern des "Bunten Tisches", die in der Kapellener Achterathsfeldschule die Betreuung von 152 Flüchtlingen in der provisorischen Landesaufnahmestelle übernommen haben.

"80 Prozent unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter hier, die täglich zehn bis 12 Stunden arbeiten, sind selbst Flüchtlinge", sagt Azzoug. Manche haben genau das am eigenen Leibe erlebt, was die Neuankömmlinge nun mitmachen.

Da ist zum Beispiel die im Libanon geborene Sozialpädagogin Lulu Abou Hamdan. Sie kam 1990 mit sechs Jahren nach Moers. Azzoug war ihr erster Betreuer. Lange lebte ihre Familie in einem Wohnwagen-Lager an der Barbaraschule in Moers. 25 Jahre später koordiniert sie die Arbeit des Bunten Tisches in der Kapellener Flüchtlingsunterkunft. Das, obwohl sie einen Beruf und zwei Kinder hat.

Den ganzen Tag hat sie telefoniert. "Ich habe schon gar keine Stimme mehr", sagt sie. Aber die junge Frau macht den Knochenjob gerne, Dabei hilft ihr die Familie: Ihre Mutter und ihr Vater, der stolz darauf ist, nie einen Cent Sozialhilfe empfangen zu haben, packen ebenso mit an wie ihr Ehemann Mohamad El Bast, der ein kleines Unternehmen leitet. "Hier ist meine Frau der Chef", sagt El Bast, der ebenfalls aus dem Libanon stammt. Und lacht. Sie alle haben es geschafft.

Sie sind inzwischen Deutsche, arbeiten und leben in Sicherheit. Nun möchten sie ihre Erfahrungen und ihre Kenntnisse für andere nutzbar machen. Das gilt auch für die, die noch nicht so lange im Lande sind wie al Galoud. Der schmächtige Mann mit dem traurigen Gesichtsausdruck hat sich als unentbehrlicher Helfer erwiesen. Er dolmetscht und sorgt dafür, dass 152 Menschen sich bei der Nutzung von vier Waschmaschinen nicht ins Gehege kommen.

Zudem war er als Helfer der Rot-Kreuz-Schwesterorganisation Roter Halbmond im Einsatz und kann als Sanitäter einspringen. Vor allem aber sind seine Nähkünste gefragt. "Das habe ich als Kind gelernt. Ich stamme aus einer Schneiderfamilie", sagt el Galoud. Er fühlt sich gebraucht. "Er taut hier richtig auf", sagen seine Freunde.

Bis Oktober soll die Notunterkunft mindestens betrieben werden. Das aber, sagt Azzoug, sei mit noch so viel Engagement nicht zu schaffen: "Irgendwann stoßen auch die Ehrenamtler an ihre Grenzen."

(RP)
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