Herbert Meiwes Wie geht's, Herr Landwirt?

Moers · Niedrige Preise für Milch und Schwein, Wetterkapriolen und Nitratbelastung - 2016 war kein gutes Jahr für die Bauern. Herbert Meiwes, Vorsitzender der Ortsbauernschaft Kapellen, bezieht im Vorfeld des Treffens der Ortslandwirte in Moers Position.

 Herbert Meiwes (61, l.) mit seinem Sohn Matthias (30) - beide betreiben ihren Betrieb als Gesellschaft, an der sie hälftig beteiligt sind.

Herbert Meiwes (61, l.) mit seinem Sohn Matthias (30) - beide betreiben ihren Betrieb als Gesellschaft, an der sie hälftig beteiligt sind.

Foto: Meiwes

Herr Meiwes, ein Jahreswechsel und das anstehende Treffen der Ortslandwirte ist immer auch Anlass, Bilanz zu ziehen. Wenn Sie als Landwirt auf 2016 zurückblicken - was bleibt haften?

Herbert Meiwes Es war ein bescheidenes Jahr, und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt. Im Frühjahr gab es Starkregen, die Felder sind regelrecht abgesoffen, danach gab es eine lange Dürreperiode, die Pflanzen wuchsen nicht. Der Klimawandel macht uns Landwirten hier zu schaffen. Kartoffeln, Rüben, Getreide - es hat alles nicht den gewünschten Ertrag gebracht. Das Beispiel Rüben: Hier haben manche Landwirte nur 50 Prozent des geplanten Ertrags erwirtschaftet. Im Herbst war es so trocken, dass man die Rüben nicht einmal aus dem Feld heraus bekam.

Als Unternehmer ist man schlecht beraten, nur auf einen Betriebszweig zu setzen. Gibt es andere landwirtschaftliche Produkte, die mehr Ertrag brachten.

Meiwes Leider kaum. Für uns Landwirte war es allumfassend ein schlechtes Jahr. Der Fleisch- und der Milchmarkt war im Keller. Im Dezember zog der Fleischpreis dann etwas an, kurz waren wir Schweinehalter glücklich. Dann kam der Handel und diktierte und vor dem Weihnachtsfest wieder niedrige Preise. Daran kann man verzweifeln. Erst nach Weihnachten hat sich der Fleischpreis wieder erholt. Wir haben mit dem Diktat und der Willkür des Handels zu kämpfen.

Die Monopolisierung im Handel schreitet voran - die Unternehmen, die den Landwirten ihre Erzeugnisse abkaufen, gewinnen noch mehr Macht.

Meiwes Genau das werfe ich der Politik vor. Ein Beispiel: Als unser SPD-Wirtschaftsminister Gabriel die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka forcierte, da hat er an uns Landwirte nicht gedacht. Es werden vielleicht Arbeitsplätze gerettet, aber bei uns Landwirten gehen Arbeitsplätze verloren, wenn der Handel zu monopolisiert ist. Man lebt als Landwirt unter der Knute der Großen, die können mit einem machen, was sie wollen. Und von der Politik spüren wir keine große Unterstützung. NRW-Minister Remmel von den Grünen macht in Wahrheit Politik gegen die Landwirte. Ein Beispiel ist der Vorschlag, die Preise für Lebensmittel zu erhöhen, indem man den Steuersatz von sieben auf 19 Prozent erhöht. Da kommt aber kein Cent mehr beim Landwirt von an - das geht alles an den Staat. Wir sind nur ein kleiner Mittelstand, es fehlt die Lobby. Klar, es gibt den Verband, aber dessen Macht ist auch endlich.

Aktuell ernten die Landwirte Kritik wegen der hohen Nitratwerte im Boden, bedingt durch die Gülleausfuhr.

Meiwes Das muss man differenzierter betrachten, da wird mir immer zu pauschal argumentiert. In den vergangenen Jahren haben die Landwirte viel dafür getan, dass die Nitratbelastung im Boden und auch die Geruchsbelastung durch Gülle sinkt. Die Gülle wird jetzt durch Schleppschläuche bodennah ausgebracht oder direkt in den Boden injiziert. Wir bringen weniger Gülle aus. Und man muss sehen: Die nach der Kiesindustrie offen liegenden Gewässer bilden ebenso Nitrat. Auch unter Wald sind die Nitratwerte hoch. Ein Rübenfeld kann durch sein dichtes Blattwerk deutlich mehr Nitrat und CO2 aufnehmen als ein Wald gleicher Größe. Am Ende baut man aber lieber eine Kausalkette auf und gibt allein dem Bauern die Schuld an der Nitratbelastung.

Gleichwohl müssen die Landwirte Gülle importieren. Sie kommt als Import aus den Niederlanden nach Deutschland, auch an den Niederrhein.

Meiwes Ja, sie wird auch importiert. Ein Problem ist, dass der chemische Kunstdünger als Alternative zur Gülle zu teuer geworden ist. Mineraldünger ist ein Produkt der Chemieindustrie. Die Preise sind zu hoch.

Wie wirkt sich dies vor Ort aus? Wie viele Landwirte gibt es in Moers noch?

Meiwes In Moers sind es noch circa 25 bis 30 aktive Landwirte. Die Zahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Der Strukturwandel schreitet voran. Es gibt die Tendenz zu immer größeren Betrieben. Es werden in den kommenden Jahren weitere Betriebe dicht machen müssen. Aus Frust aber, da bin ich mir sicher, hört kein Landwirt auf.

Wie hat sich Ihr eigener Betrieb verändert, wie haben Sie auf den Wandel reagiert?

Meiwes Vor 20 Jahren waren wir ein kleiner Schweinemastbetrieb. Dann kam ein Berater und hat mir die Empfehlung gegeben, einen großen Schweinestall zu bauen für 1000 Tiere. Ich war erst zögerlich, am Ende hat es sich aber gelohnt. Mein Sohn Matthias und ich kommen jetzt gut über die Runden. Andererseits: Die Kosten sind in die Höhe gegangen. Der Kilopreis für das Schwein ist der gleiche wie vor 20 Jahren.

Stichwort Frust: Welche Freude spüren Sie eigentlich noch bei der Arbeit? Wenn man Sie reden hört, dann denkt man sich: Wie gut, dass ich kein Landwirt bin. Sind Landwirte eigentlich auch mal glücklich, Herr Meiwes?

Meiwes Ach ja, es ist immer noch ein sehr schöner Beruf. Die Arbeit auf dem Feld, mit dem Tier, im Einklang mit der Natur, viel draußen, außerdem ist man sein eigener Herr. Es ist schon toll, Landwirt zu sein.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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