Moers Wie katholisch ist die CDU in Moers?

Moers · Karl-Heinz Brohl (82), ehemaliger Fraktionsvorsitzender der CDU und gläubiger Katholik, lässt am Beispiel der Geschichte seiner Familie ein Stück Moerser Zeitgeschichte Revue passieren.

 Karl-Heinz Brohl (2.v.l) und Vater Jakob Brohl (6.v.l. m. Brille) sowie MdB Ernst Holla (2.v.r.).

Karl-Heinz Brohl (2.v.l) und Vater Jakob Brohl (6.v.l. m. Brille) sowie MdB Ernst Holla (2.v.r.).

Foto: Brohl

Am 14. Mai wird Ingo Brohl für die CDU als Landtagskandidat antreten. Seine Familie verkörpert die Geschichte der Moerser CDU wie kaum eine andere. Sein Vater Klaus sitzt mit ihm im Rat, sein Onkel Karl-Heinz (82) war von 1972 bis 1983 Fraktionsvorsitzender der Moerser Christdemokraten. Alle sind in ihren katholischen Kirchengemeinden aktive Gemeindemitglieder, wie im übrigen auch Bürgermeister Christoph Fleischhauer.

"Mein Vater war so schwarz, der hat im Kohlenkeller Schatten geworfen", erinnert sich Karl-Heinz Brohl. "Er war während der Weimarer Republik Mitglied der Zentrums-Partei. Aber er hat der Partei nie verziehen, dass sie im Reichstag, anders als die SPD, für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Deshalb war es für ihn keine Frage, dass er nach dem Krieg der CDU und nicht dem Zentrum beitrat", berichtet der 82-Jährige.

So landeten viele ehemalige Zentrum-Leute auch in Moers nach 1945 in der CDU. Allerdings hatte sich die Partei von Anfang an als überkonfessionell verstanden. In Moers jedoch fanden sich 1946 zunächst einmal weit überwiegend demokratisch gesinnte Katholiken, die bereit waren, einen CDU-Ortsverein mit zu gründen. Das Problem mit den Protestanten war, dass viele von ihnen durch die Nazi-Zeit als belastet galten und deshalb anfangs bei der CDU nicht mitmachen durften.

In dieser Situation wandte sich die britische Militärkommandantur an den evangelischen Pastor Erich Vowe, der einen Ruf als erklärter Gegner der Nazis hatte: Ob er nicht ehrbare Protestanten überzeugen könne, dieser neuen christlichen Partei beizutreten? Vowe konnte - und wurde so zum eigentlichen Gründer der CDU in Moers, obgleich der politisch eher linksliberal angesiedelte Pastor selbst nie Mitglied der Partei war.

Karl-Heinz Brohls Vater wird es wohl recht gewesen sein, dass er protestantische Mitstreiter bekam: "Er hatte die Einstellung, dass man nur gemeinsam politisch etwas erreichen kann. Deshalb ist er als Elektriker im Bergbau auch dem DGB und nicht den christlichen Gewerkschaften beigetreten", berichtet Karl-Heinz Brohl. 1956 trat der Mitabiturient des späteren SPD-Bundesjustizministers Jürgen Schmude selbst der CDU bei und zog 1961 für die Christdemokraten in den Rat. In den 50er Jahren seien die Gräben zwischen CDU und SPD noch tief gewesen, erinnert sich der 82-Jährige. "Da haben die Ratsmitglieder kaum miteinander gesprochen." Deutlich zu spüren gewesen seien aber auch die Grenzverläufe zwischen Katholiken und Protestanten.

So habe selbst der liberale Pastor Vowe Moerser Schüler in einem Brief aufgefordert, sich nicht am sündhaften Treiben der Karnevalstage zu beteiligen. "In Moers gab es damals überhaupt keinen Karneval", erinnert sich Brohl. "Deshalb sind wir zum Feiern nach Rheinberg gefahren - übrigens gemeinsam mit den evangelischen Schülern." Aber auch die Katholiken seien in gewissen Dingen auf Abgrenzung bedacht gewesen: "Karfreitag hat mein Vater immer seinen ältesten Anzug getragen, und meine Mutter hat die Wäsche rausgehängt."

Doch mit der Zeit entspannte sich sowohl das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten in Moers als auch das zwischen Christ- und Sozialdemokraten. Brohl erinnert sich, dass er einmal in einer Büttenrede dem stark pazifistisch eingestellten Schmude nachgesagt habe, er halte selbst das Schießen des Salats für eine vormilitärische Übung. Der nahm's mit Humor.

"Viele Sozialdemokraten pflegten ein gutes Verhältnis zu den Katholiken in Moers", erinnert sich Brohl. So habe Alt-Bürgermeister Albin Neuse etwa die Nonnen im Krankenhaus St. Josef stets in den höchsten Tönen gelobt. "Und als der Sozialdienst katholischer Frauen das Frauenhaus übernehmen sollte, war das unter Sozialdemokraten nie strittig."

Innerhalb der Moerser CDU machten Protestanten schon in den 80er Jahren Karriere: Karl-Heinz Brohls Nachfolger als Fraktionsvorsitzender wurde Hans-Albrecht Meyer-Stoll, der bis heute den Evangelischen Arbeitskreis der CDU im Kreis Wesel anführt. Auch Brohls Neffe Ingo übernahm das Amt des Fraktionsvorsitzenden von einem Protestanten: Klaus Rudatsch war Presbyter in der evangelischen Kirchengemeinde Scherpenberg.

An den Mitgliederzahlen gemessen, haben die Katholiken in der Moerser CDU noch leicht die Nase vorn: 40 Prozent sind laut einer Umfrage Katholiken, 30 Prozent Protestanten.

(RP)
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